Männer laut Umfrage Familientiere: Pipi statt Power-Point
Für rund 90 Prozent der berufstätigen Väter ist die Familie wichtiger als der Job. Über 100 Millionen Euro sollen in Tagesmütter und betriebliche Kinderbetreuung investiert werden.
Die Familie hat für einen Großteil der Bevölkerung höchste Priorität. 76 Prozent halten sie für das Wichtigste im Leben, von den berufstätigen Vätern sind sogar 89 Prozent dieser Meinung. Das ergab die Umfrage "Familienmonitor" des Instituts für Demoskopie Allensbach, die am Donnerstag vorgestellt wurde.
Arbeit steht bei berufstätigen Vätern mit Abstand erst an zweiter Stelle, ergab die repräsentative Befragung. "Das ist eine deutliche Rangfolge", sagte die Allensbach-Geschäftsführerin Renate Köcher. "Offensichtlich bedeutet Familie Spaß und nicht nur lästige Pflicht", sagte Köcher weiter. Das zunehmende männliche Interesse und die Beteiligung an der Erziehung der Kinder finden die Deutschen gut: Zwei Drittel begrüßen diese Entwicklung.
Die Vereinbarkeit von Familie und Beruf ist jedoch noch defizitär, wie 64 Prozent der berufstätigen Mütter beklagen. Ein Auszug aus der Wunschliste an die Familienpolitik: mehr Kindergarten- und Hortplätze, eine Kinderbetreuung in Betrieben und flexible Arbeitszeiten.
Besonders nichtberufstätige Mütter mit minderjährigen Kindern haben große Hoffnungen in die deutschen Unternehmen: 56 Prozent von ihnen würde gern arbeiten gehen, die überwiegende Mehrheit davon würde gern auf Teilzeitstellen arbeiten.
Bundesfamilienministerin Ursula von der Leyen (CDU) sprach angesichts der Umfrageergebnisse von einem großen "Nachholbedarf" bei der Vereinbarkeit von Job und Familie. "Es sind noch viele Schritte zu tun."
Bei der Kinderbetreuung setzt sie auf Kindertagespflege, die oft unter dem Stichwort "Tagesmütter" läuft und den Kitaausbau ergänzen soll. Bis 2013 soll das Angebot an Tagesmüttern verdoppelt werden, plant von der Leyen. Derzeit gibt es 33.000 registrierte Tagesmütter in Deutschland, viele Tagesmütter arbeiten darüber hinaus schwarz.
Der Bund will Länder und Kommunen bei der Anwerbung und Vermittlung von Tagesmüttern unterstützen sowie bei deren Weiterbildung. Das Gesamtvolumen für das "Aktionsprogramm Kindertagespflege" beläuft sich auf bis zu 65 Millionen Euro. "Mit mehr Qualifizierung würde eine Aufwertung des Berufsfelds entstehen", sagte von der Leyen.
Der Bundesverband für Kindertagespflege begrüßte die Pläne der Familienministerin. Der Geschäftsführer Klaus-Dieter Zühlke forderte jedoch eine bessere Vergütung, die derzeit von den Kommunen geregelt wird. "Tagesmütter verdienen teilweise weniger als 3 Euro pro Stunde und Kind", sagte er.
Ein zweiter Plan, mit dem die Familienministerin berufstätige Eltern unterstützen will, fördert betriebliche Kinderbetreuung. "Das liegt im eigenen Interesse der Wirtschaft", sagte von der Leyen. Laut der Allensbach-Umfrage denken 79 Prozent der Deutschen, dass Unternehmen mehr tun müssten. Das deswegen im Januar gestartete sogenannte ESF-Programm für betriebliche Kinderbetreuung richtete sich bisher an kleinere und mittlere Betriebe. Nun sollen auch Universitäten und Unternehmen mit über 1.000 Beschäftigten einbezogen werden. Bis Ende 2011 können sie über zwei Jahre die Hälfte der Betriebskosten für Kinderbetreuung bis maximal 6.000 Euro erhalten. 50 Millionen Euro stehen dafür zur Verfügung. Bisher lägen 86 Anträge für die Förderung vor, sagte von der Leyen.
Gleichzeitig begrüßte sie Vorbilder wie den Berliner Grünen-Politiker Volker Ratzmann, der am Donnerstag seine Kandidatur für den Parteivorsitz zurückzog, weil er Vater wird. Sie freue sich über jede und jeden, der Kinder und Erziehung als gemeinsame Verantwortung lebt", sagte die Ministerin.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Israelische Drohnen in Gaza
Testlabor des Grauens
Rekrutierung im Krieg gegen Russland
Von der Straße weg
Umfrage zu Sicherheitsgefühl
Das Problem mit den Gefühlen
Gewalt an Frauen
Ein Femizid ist ein Femizid und bleibt ein Femizid
Berliner Sparliste
Erhöht doch die Einnahmen!
„Freiheit“ von Angela Merkel
Die Macht hatte ihren Preis