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Männer-Sinfonie in Rot und Creme

■ Das Erzbistum Hamburg ist errichtet: Die Vorführung prächtiger Kleider gelang fast ganz ohne die Beteiligung von Frauen Von Iris Schneider

Cyklamrot und helles Creme waren die vorherrschenden Farben, doch schuld war nicht die Deutsche Telekom; lange Kleider dominierten die Szene, aber sie wurden nicht von Frauen sondern von Männer vorgeführt. Bei der Errichtung des neuen Erzbistums Hamburg und der Einführung des dazugehörigen Erzbischofs Ludwig Averkamp in sein Amt am Sonnabend in der Marien-Kirche in St. Georg blieben die Herren wie vor 1164 Jahren – als Hamburgs erster Bischof Ansgar eingesetzt wurde – weitgehend unter sich. Nur die evangelische Hamburger Bischöfin Maria Jepsen und die Ministerpräsidentin von Schleswig-Holstein Heide Simonis unterbrachen durch ihre prominente Stellung die geschlechtliche Gleichförmigkeit der 30 katholischen und neun evangelischen Bischöfe und Hauptpastoren.

Vor der Kirche forderte ein Häuflein Wikinger die versammelten Geistlichen nachdrücklich zur Toleranz auf und begrüßte den neuen Oberhirten mit den Worten: „Herzlich willkommen Herr Bischof. Das nordische Gastrecht dauert drei Tage.“ Abgesehen von einigen unentwegten Neukatechumenalen – eine Gruppierung, die in etwa den Evangelikalen in der evangelischen Kirche vergleichbar ist – war der Kirchenvorplatz ansonsten fast leer. Nur wenige Gläubige hatten sich zum Amtssitz des Erzbischofs, im Volksmund bereits „Klein Vatikan“ genannt, aufgemacht. Bei winterlicher Kälte zogen es die meisten Katholiken offenbar vor, die Errichtung der Erzdiözese am Fernseher zu verfolgen.

Die dauerte zusammen mit der Einsetzung des 67jährigen Erzbischofs gerade mal eine halbe Stunde: Der apostolische Nuntius in Bonn, Lajos Kada, verlas die beiden päpstlichen Urkunden, und der Generalvikar von Osnabrück überreichte Averkamp die Insignien seines Amtes: Ring, Brustkreuz, Krummstab und Mitra.

Im anschließenden Gottesdienst nutzte Averkamp seine erste Predigt im Amte nicht, um Akzente für seine zukünftige Tätigkeit zu setzen. Der in Kirchenkreisen auch als „lächelnder Kühlschrank“ bekannte Geistliche beschränkte sich darauf, seinen Wahlspruch „Der Herr ist nahe“ auszulegen.

Gleichzeitig mit dem Erzbistum entsteht die Kirchenprovinz Hamburg, zu der auch die Bistümer Hildesheim und Osnabrück gehören. Das mit rund 40.000 Quadratkilometern flächenmäßig größte Erzbistum in Deutschland umfaßt das Gebiet der Freien und Hansestadt, das Bundesland Schleswig-Hol-stein und den Landesteil Mecklenburg des nordöstlichsten Bundeslandes. Mit etwa 410.000 katholischen Gläubigen werden aber nur 7,5 Prozent der Bevölkerung Averkamps geistlicher Führung folgen.

Die Mecklenburger sind allerdings schon jetzt enttäuscht: In Schwerin hatte man an das Regionalisierungskonzept des Papstes geglaubt und gehofft, einen eigenen Bischof zu behalten. Das soll jetzt nicht der Fall sein, lediglich ein Staatskirchen-Büro mit ungeklärtem Status wurde ihnen zugesagt.

Auf dem Senatsempfang am Nachmittag machte die evangelische Bischöfin von Hamburg in einer feinsinnigen Rede deutlich, daß ihre Kirche sich als die „ältere Schwester“ in der Nachfolge des ersten Hamburger Bischofs Ansgar sieht. In ökumenischer Geschwisterlichkeit bot sie ihrem katholischen Amtsbruder an, neben ihr auf Ansgars Stuhl Platz zu nehmen. Sie freue sich, daß durch diese Konstellation „die Diskussion über das Amt und die Stellung der Frau in der Kirche weiter belebt wird“, erklärte Maria Jepsen.

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