Deutsche Entwicklungshilfe: Ein Bruchteil des Notwendigen
Deutschland hinkt seinen Zusagen in der Entwicklungshilfe hinterher. Eine Vergleichsstudie bemängelt die Effektivität der deutschen Förderung.
BERLIN taz | Die Zeit, ein viel beachtetes internationales Versprechen einzuhalten, wird knapp: Bis zum Jahr 2015 wollen jene Staaten, die schon vor 2002 Mitglied der EU waren, ihre Ausgaben für Entwicklungshilfe auf 0,7 Prozent der jährlichen Wirtschaftsleistung erhöhen. Das hat die EU im Jahr 2005 zugesagt.
Doch Deutschland ist von der Zusage weit entfernt: Hierzulande stieg der Anteil von 0,24 Prozent im Jahr 2005 auf 0,39 Prozent in 2011 und liegt damit weit unter den Werten anderer europäischer Länder und noch unter dem Durchschnitt der 15 EU-Staaten von 0,43 Prozent.
Um die Zusage noch einzuhalten, müssten die Entwicklungsausgaben in den verbleibenden Jahren jeweils stark ansteigen: Nötig wäre ein jährlicher Zuwachs von 2,35 Milliarden Euro, schreibt die Organisation One in ihrem aktuellen Data-Bericht, der am Montag veröffentlicht wird und der die entwicklungspolitischen Zusagen von Industriestaaten auf ihre Einhaltung überprüft.
Davon ist jedoch nichts zu sehen: Im Bundeshaushalt für 2013, der am Mittwoch vom Kabinett verabschiedet werden soll, steigt der Haushalt des Entwicklungshilfe-Ministeriums gerade einmal um 118 Millionen Euro. „Dies wäre eine Fortführung der wenig ambitionierten Erhöhungen“, so die Autoren.
Ministerium will private Mittel mobilisieren
Das von Dirk Niebel (FDP) geführte Ministerium für Wirtschaftliche Zusammenarbeit räumte auf Anfrage ein, man halte am erklärten 0,7-Prozent-Ziel fest; dies bis 2015 zu erreichen bleibe aber „eine Herausforderung“. Man setze darauf, verstärkt private Mittel zu mobilisieren, die „den Bundeshaushalt nur sehr begrenzt belasten“, teilte eine Sprecherin mit. Bestimmte private Finanzinstrumente, etwa staatlich verbilligte oder abgesicherte Kredite, werden ebenfalls auf die Entwicklungshilfequote angerechnet.
Doch nicht nur beim Umfang der Entwicklungshilfe kommt Deutschland schlecht weg; auch die Qualität ist unterdurchschnittlich. Ein Vergleich nach internationalen Standards zeigt laut Data-Report, dass die deutschen Gelder wenig effektiv verwendet werden, weil ein zu großer Teil nicht in die ärmsten Länder, sondern in Schwellenländer fließt, wo sie weniger bewirken. „Unter den Top-10 Empfängern deutscher Hilfe finden sich fünf G-20-Staaten“, kritisiert der Deutschland-Chef von One, Tobias Kahler.
Positiv wertet One die Entwicklungsarbeit der EU, die mit ihrem Entwicklungsprogramm einen großen Anteil an der Entwicklungshilfequote ihrer Mitgliedstaaten hat. Zudem schneiden diese Programme in der Qualität gut ab. One appelliert an den EU-Gipfel, die im Rahmen des nächsten 7-Jahres-Haushalts der EU eingeplanten 51 Milliarden Euro tatsächlich umzusetzen.
Leser*innenkommentare
yohak
Gast
In dem Artikel wird behauptet, die deutsche Entwicklungshilfe
sei ineffektiv. Das mag so sein, aber wenn dem so ist, sollte man das nicht einfach behaupten, sondern auch begründen. Ausser der pauschalen Behauptung, Entwicklungshilfe sei in ganz armen Ländern wirksamer als in Schwellenländern (wieso denn das eigentlich ?) fehlt in dem Artikel aber jedes Argument zur Begründung der These. Schwache Leistung.
Volker Seitz
Gast
Bis heute wird jede Hilfe nach den erbrachten Leistungen und n i c h t nach den Resultaten beurteilt. Nicht nur gut regierte Länder in Afrika wie z.B. Ghana, Ruanda und neuerdings auch der Senegal werden mit Entwicklungshilfe überschwemmt, sondern auch autoritäre und korruptionsgeneigte Herrschaftsssyteme.Die Quantität der Hilfe scheint für die Lobbyisten wichtiger als die Qualität. Dabei habe ich in der Praxis immer wieder erlebt, dass für die zur Verfügung stehenden Mittel die sinnvollen und praktikablen Konzepte fehlen und dass in den Partnerländern der Entwicklungs-Zusammenarbeit die administrativen Kapazitäten nicht vorhanden sind. Also Kräfte, die dafür sorgen können, dass das Geld tatsächlich in sinnvoller Weise bei den richtigen Leuten für den gedachten Zweck ankommt. Trotzdem schießen die Mittel für Entwicklungshilfe (allein Deutschland stellt 6,3 Milliarden jährlich zur Verfügung) jedes Jahr ungebremst in die Höhe. Die Entwicklungshilfeindustrie-ein selbstgerechtes und aufgeblähtes System ohne jedes Regulativ- wird nicht über Nacht verschwinden. Der Reflex "Gutes tun zu wollen" ist bei näherer Betrachtung zu einem nicht geringen Teil verlogen. Immerhin leben in westlichen Ländern wenigstens 800000 Menschen davon. Die haben ein großes Interesse daran, sie aufrechtzuerhalten. Deshalb werden allerorts "goldene Besen verschenkt, um den Unterschleif geräuschlos unter den Teppich zu kehren.
Volker Seitz, Autor "Afrika wird armregiert"
Stratege
Gast
Haushaltspolitisch gesehen hat Deutschland einen riesigen verdeckten Entwicklungs-Etat.
Es handelt sich um die Mittel aus den rund 120 Sozialversicherungsabkommen mit Partnerländern, in denen Sozialhilfe, Flüchtlingshilfen und Krankenversicherung von den deutschen Sozialkassen mit getragen werden.
Ferner gibt es erhebliche Etat-Posten im EU-Agrarhaushalt, die Exporthilfen und Nahrungsmittelexport betreffen - die aber für die afrikanischen Märkte schädlich sind.
Dazu gehört auch die Subventionierung des Fischfangs vor der ostafrikanischen Küste, die verzweifelte Fischer in das "Piraterie-Gewerbe" drängt.
Die erste Forderung sollte deshalb nach mehr Haushaltswahrheit und Klarheit sein, was "Entwicklungshilfe" eigentlich ist!
Insider
Gast
"Ein Vergleich nach internationalen Standards zeigt laut Data-Report, dass die deutschen Gelder wenig effektiv verwendet werden, weil ein zu großer Teil nicht in die ärmsten Länder, sondern in Schwellenländer fließt, wo sie weniger bewirken."
Gerade diesen Satz und ueberhaupt die Aussage hinsichtlich der Qualitaet halte ich aufgrund meiner Erfahrungen in Entwicklungslaendern fuer aus der Luft gegriffen. Gerade in Schwellenlaendern haben die Partner und Regierungen weit hoehere Kapazitaeten als in den LDCs und koennen demnach weitaus professioneller mit den Geldern umgehen und die Hilfe zielgerichteter und langfristig ausgelegt verwenden. Dass sie dort weniger bewirken wuerde ich gern einmal belegt sehen. Gerade hinsichtlich der Armutsbekaempfung wurde gerade in den Schwellenlaendern die groessten Erfolge erzielt!
Gabriel
Gast
Dazu kommt bei der deutschen Entwicklungshilfe der "teuren" Kategorie (ex-GTZ) eine dubiose Auftragsvergabe der Verträge bis 20.000 EUR an Freunde der Verantwortlichen, - zu überhöhten Tagessätzen von 600 EUR. Dagegen schreiben Nachbarländer (zB Belgien, Niederlande) solche Verträge aus (also ein echter Wettbewerb). Dasselbe gilt für die KfW, wo die Tageshonorare noch höher liegen. Das passt zu Niebels Politik, Führungsstellen an inkompetente FDP-Parteiangehörige zu vergeben (zB Frau Büssemaker; siehe "Niebels Personalauswahl; in Ettlingen lachen sich die Leute halbtot").
waldküre
Gast
Wer geben doch reichlich für Griechenland usw.
Sind das nicht auch Entwicklungshilfe?