: Mähnenwolf im Mittelfeld
■ Mit einem erstaunlichen 5:0-Sieg gegen Argentinien in Buenos Aires qualifizierte sich Kolumbien für die Fußball-Weltmeisterschaft 1994 in den USA
Berlin (taz) – Welche Mannschaft den besten Fußball in Südamerika spielt, ist schon seit längerem offensichtlich. Weder die großen Fußballnationen der Vergangenheit wie Brasilien, Uruguay oder Argentinien, noch die Aufsteiger aus der Hochebene von Bolivien können den Kolumbianern derzeit das Wasser reichen. Bei der „Copa America“ vor zwei Monaten war das Team noch unglücklich im Elfmeterschießen des Halbfinales an Argentinien gescheitert, in der Gruppe A der WM-Qualifikation ließen sie den Kickern vom Rio de la Plata dann keine Chance. Dem 2:1 in Bogotá, der ersten Niederlage der Argentinier nach dem 0:1 im WM-Finale 1990 gegen Deutschland, folgte am Sonntag ein sensationelles 5:0 in Buenos Aires. Damit qualifizierte sich Kolumbien als sechstes Land nach USA, Deutschland, Griechenland, Mexiko und Rußland für die WM, Argentinien muß in zwei Spielen gegen Australien um die Teilnahme kämpfen.
Seit die Mannschaft von Francisco Maturana bei der WM in Italien mit ihrem filigranen Kurzpaßspiel auch die späteren Weltmeister aus Deutschland schier zur Verzweiflung getrieben hatte, haben Mittelfeld-Mähnenwolf Carlos Valderrama und seine Kollegen ihr Spielsystem nahezu perfektioniert. Mit einer ungemeinen Präzision wird der Ball übers Feld befördert, den technisch versierten Akteuren unterläuft so gut wie kein Abspielfehler und im Angriff haben sie mit Faustino Asprilla und Adolfo Valencia auch ihr letztes Manko beseitigt, das sie in Italien um größere Erfolge brachte: die fehlende Torgefährlichkeit. Hinten geht es, seit Torwart-Libero René Higuita im Knast sitzt, zwar etwas weniger spektakulär zu, aber die Abwehr steht meistens sicher.
„Ganz Kolumbien ist mit Euch und hat seine Hoffnungen auf Euch gesetzt“, gab Staatspräsident César Gaviria den Kickern mit auf den Weg nach Buenos Aires. Nach einer Radioumfrage waren 65 Prozent der Bevölkerung sogar der Meinung, daß Gaviria eigentlich zu diesem hochbedeutenden Ereignis mitreisen müßte, um der Mannschaft den Rücken zu stärken. Der Präsident zog es jedoch vor, daheimzubleiben und schickte statt dessen seinen elfjährigen Sohn mit nach Argentinien.
Auch ohne den Claqueur aus dem Regierungspalast war der kolumbianische Erfolg gegen die verkrampften Gastgeber jedoch kaum gefährdet. In der 41. Minute traf Rincón zum 1:0, die Argentinier, denen ein Unentschieden gereicht hätte, setzten alles auf eine Karte und liefen in die messerscharfen Konter des Gegners. Asprilla (50./76.), Rincón (74.) und Bayerns Valencia (86.) schossen den sensationellen Sieg heraus und wurden am Schluß sogar von den 53.000 Zuschauern mit Beifall belohnt.
In den letzten Minuten hallte das Stadion dann von „Maradona“-Rufen“ wieder, doch der erflehte Retter saß nicht auf der Auswechselbank, sondern auf der Tribüne und nahm seine unseligen Landsleute im weiß-blauen Dreß in Schutz: „Auch die beste Mannschaft kann in einer Qualifikation scheitern. Ausscheidungen sind immer schwierig und eine Nervensache.“ Gleichzeitig eine Warnung für den vermeintlichen Spaziergang gegen die Australier, deren Trainer im Stadion weilte und den Argentiniern „nach wie vor Weltklasse“ bescheinigte.
Während die Gruppe A ihren Spielbetrieb beendet hat, wird es in der Gruppe B immer spannender. Der spielfreie Tabellenführer Bolivien mußte mitansehen, wie die beiden Kontrahenten um die ersten beiden Plätze, Brasilien und Uruguay, ihre Chance durch Siege wahrten und sein stolzes Torverhältnis zumindest gegenüber den Brasilianern dahinschmolz. Brasilien bezwang in Belo Horizonte Schlußlicht Venezuela souverän mit 4:0, Uruguay schaffte ein knappes 1:0 gegen Ecuador in Guayaquil. Die Entscheidung fällt am 19. September, wenn Brasilien Uruguay empfängt. Matti
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