■ Mädchenpower: Fehlt in Tenever der Mut zur Lücke?
„Guckt mal, was ich euch mitgebracht habe“, sagt Renate und deutet auf einen silbernen Koffer in ihrer Hand. Sofort sind zwölf neugierige Mädchenaugen darauf gerichtet, und schon bald ist das Geheimnis gelüftet: ein Schminkkoffer. Ausgelassen wird nun experimentiert – ohne Scheu , denn hier sind die Mädchen ja unter sich.
Seit Gründung des „Mädchen-Lücke-Projektes“ 1994 als Bereich für Mädchen im Jugendfreizeitheim Tenever ausschließlich für Mädchen ist Renate als Betreuerin dabei. Sie alle haben sich das Ziel gesetzt, Mädchen im Alter von 10 bis 14 Jahren in ihren Stärken und Fähigkeiten zu fördern. „Die Mädchen haben hier die Möglichkeit, sich selbst als Mädchen auszuprobieren“, erklärt Renate. Dazu bietet das Lücke-Projekt montags bis freitags ein buntes Programm: Ausflüge, Basteln, Spiele – einfach alles, was den Mädchen Spaß macht, und das „ganz frei von Jungen“. Der Tag im „Lücke“, wie die Mädchen ihr nachmittägliches Asyl nennen, beginnt nach der Schule mit einem Mittagessen. Das Thema Essen spielt eine große Rolle im Lücke-Projekt. „Die Mädchen sind in einem Alter, in dem sie sich an dünnen Frauen aus dem Fernsehen orientieren“ , erklärt Renate, „deshalb versuchen wir ihnen zu zeigen, wie wichtig eine gesunde Ernährung ist.“
Anschließend werden meist erstmal die Hausaufgaben gemacht. Im so genannten „Lücke-Raum“ finden die Mädchen alles Nötige: Gemütliche Sitzgelegenheiten, Schreibmaterial, ein großes Regal mit vielen Wörter- und Sachbüchern. Für die 11-Jährigen Maria und Meryem steht heute Englisch auf dem Programm: „It looks like a camel but it can't be a camel because it is blue.“ Mit viel Geduld geht Betreuerin Onchi den Satz immer wieder mit den Mädchen durch, bis er perfekt sitzt, denn auf gute Hausaufgabenhilfe legen die Lücke-Frauen viel Wert. Mit Erfolg: „Letzte Woche“, erzählt die 11-jährige Amina stolz, „habe ich mit Renate für eine Arbeit geübt und dann eine Eins geschrieben.“
Das „Lücke“ bietet den Mädchen viele Möglichkeiten, sich einen schönen Nachmittag zu machen. Sie können sich mit ihren Freundinnen in eine Ecke zurückziehen, basteln, malen, Billard spielen oder Ausflüge zur Kinder- und Jugendfarm in Borgfeld unternehmen. Heute zieht es die Mädchen in die Küche: Mit Tattoostiften will Melanie ihren Mädchen heute Tattoos auf dem Arm malen. Die 10-jährige Ines ist als erste an der Reihe und entscheidet sich für einen Armreifen. „Ah, das kitzelt“, kichert sie, hält aber tapfer durch und präsentiert dann stolz ihren neuen Schmuck. Begeistert wollen die anderen sofort das gleiche Tattoo.
Obwohl die Mädchen sich hier sehr wohl fühlen, droht jetzt die Schließung des Projektes: „Mit nur vier fest angemeldeten Mädchen und sechs Gastmädchen, die ab und zu kommen, ist das Projekt nicht ausgelastet“, erklärt Onchi, „deshalb suchen wir dringend weitere Mädchen.“
Monika Vosough Mohebbi
Interessierte können sich im JFH Tenever melden unter Tel. 361 - 31 05. Der Beitrag (ab 26 Euro) ist einkommensabhängig.
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