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Maduro wird erneut Venezuelas PräsidentEin weiteres Mal den Eid gebrüllt

Seit Freitag ist Nicolás Maduro in seiner dritten Amtszeit. Während sein Konkurrent Edmundo González sich aus dem Ausland per Video an die Bevölkerung wendet, schafft das Regime in Caracas Tatsachen.

Szenen für die Fernsehkameras: Nicolás Maduro zeigt sich seinen An­hän­ge­r:in­nen vor dem Palacio Miraflores Foto: Miraflores Palace via reuters

BOGOTA taz | Kurz nach zwölf war die Amtseinführung im elliptischen Salon der Nationalversammlung vorbei, Maduro hatte seinen Eid gebrüllt. Dann folgten ein weiterer Akt bei den Militärs und Sicherheitskräften und ein letzter vor dem Palacio Miraflores, wo Nicolás Maduro seine An­hän­ge­r:in­nen empfing. Um den Fernsehkameras zu zeigen: Armee und venezolanisches Volk stehen hinter mir.

Letzteres gilt als widerlegt, die meisten Stimmen hatte bei der Wahl am 28. Juli der Oppositionskandidat Edmundo González bekommen. Als Beweis stellte die Opposition die Protokolle von 85 Prozent der Wahllokale ins Internet. Die Regierung ist bis heute den internationalen Rufen nach Transparenz nicht nachgekommen.

„Ohne Veröffentlichung der Wahlunterlagen ist Nicolás Maduro kein legitim demokratisch gewählter Präsident“, wiederholte das Auswärtige Amt in Berlin im Onlinedienst X seinen Standpunkt nach Maduros Amtsantritt. Ähnliches kam von der EU-Außenbeauftragen Kaja Kallas. Die USA und das Vereinigte Königreich reagierten mit neuen Sanktionen für Führungskräfte des Regimes.

González, der sich derzeit im Exil befindet, aber davon gesprochen hatte, sich ebenfalls am 10. Januar in Venezuela vereidigen zu lassen, reiste am Freitag nicht ins Land. Er schwieg bis etwa 17 Uhr Ortszeit – und meldete sich dann per Video aus der Dominikanischen Republik. Am Rednerpult vor holzvertäfelter Wand, neben sich die venezolanische Flagge, sprach er als „gewählter Präsident“ zu seinem Volk. Er sei ganz nahe an Venezuela und werde, so bald es gehe, kommen. Heute habe es einen Staatsstreich gegeben und der Diktator sich selbst gekrönt. Militär und Polizei befahl er als Oberster Befehlshaber, die Repression zu beenden. Kurz zuvor hatte ihn noch Israel anerkannt.

Es war nicht die einzige Botschaft wie aus einer Parallelrealität. Die Führerin des Oppositionsbündnisses, María Corina Machado, hatte sich nach der Amtseinführung von Maduro ebenfalls per Videobotschaft gemeldet. Die Freiheit sei nahe. „Zweifelt nicht, es ist vorbei!“

Im Gegenteil, meint der venezolanische Politologe Ricardo Sucre im Gespräch mit der taz. Er leitet den Thinktank Smart Thinkers. „Jetzt beginnt eine noch härtere Zeit.“ Schwäche, gar interne Zerwürfnisse, wie sie die Opposition der Regierung attestiere, sieht er nicht. „Der Chavismus zieht sein Projekt durch. Denn die Regierung glaubt, dass sie nichts mehr zu verlieren hat.“

Machado kam am Vortag aus ihrem Versteck

Am Vortag der Amtseinführung war Machado, das Gesicht der geeinten Opposition, zum ersten Mal seit Monaten wieder aus ihrem Versteck gekommen und öffentlich aufgetreten – bei einer der vielen Protestkundgebungen gegen die Vereidigung Maduros. Medien meldeten, dass Machado festgenommen worden sei, Fotos zeigten sie niedergedrückt auf dem Boden. Innenminister Diosdado Cabello dementierte.

Machados Version: Polizisten auf Motorrädern hätten ihr Motorrad und die beiden begleitenden abgefangen, Schüsse abgefeuert, sie später angehalten, vom Motorrad gezogen und weggebracht. Sie habe Videobotschaften aufnehmen müssen, dass es ihr gut gehe, und sei später freigelassen worden. Einer der Fahrer ihrer Eskorte habe eine Schusswunde am Bein. Mindestens 17 Menschen sollen am Donnerstag nach Angaben der Nichtregierungsorganisation Foro Penal festgenommen worden sein.

„Ich schwöre, dass diese neue Amtszeit als Präsident eine Amtszeit des Friedens, des Wohlstands, der Gleichheit und der neuen Demokratie sein wird“, sagte Maduro bei seinem Eid vor Parlamentspräsident Jorge Rodríguez. Ähnlich wie 2019 schon. Es werde höchstens einen autoritären Frieden geben, sagt der Politologe Ricardo Sucre, ohne demokratische Freiheiten, aber zumindest auch ohne Gewalt im Alltag für die, die keinen Widerstand leisteten und sich arrangierten.

Die Regierung habe die Inflation zuletzt im zweistelligen Bereich stabilisieren können. Dazu habe auch die Dollarisierung der Wirtschaft beigetragen. Diese sei leicht gewachsen. Mit mehr Massenemigration rechnet Sucre daher nicht. Zum einen, weil Auswandern immer schwieriger werde, zum anderen, weil die Ve­ne­zo­la­ne­r:in­nen gelernt hätten, in dem autoritären System zu leben. Es könnten sogar welche zurückkommen, die die Hyperinflation aus dem Land getrieben hatte. Und die reichen Eliten und die regierungstreuen Führungskräfte lebten weiter gut in Venezuela – Sanktionen hin oder her.

Zur Amtseinführung hatte Venezuela den nationalen Luftraum und die Grenze zu Kolumbien gesperrt. Nur wenige hochrangige ausländische Vertreter waren angereist, darunter Nicaraguas Präsident Daniel Ortega und Kubas Präsident Miguel Díaz Canel. China und Russland, Venezuelas wichtige Verbündete, hatten Sonderdelegierte geschickt. Brasilien, Kolumbien und Mexiko sandten Diplomaten – und selbst das war im Nachbarland Kolumbien ein Politikum gewesen. Außenminister Luis Giberto Murillo stellte am Freitag klar, dass Kolumbien die Ergebnisse der Wahl nicht anerkenne. Die diplomatischen Beziehungen werde das Land aber nicht abbrechen.

Dass der künftige US-Präsident Donald Trump seinen Hardliner-Kurs gegen Venezuela aus der ersten Amtszeit wiederholt, glaubt Sucre nicht. Er geht davon aus, dass er hinter den Kulissen das Gespräch suchen wird. Denn die Maduro-Regierung habe keine Scheu, mit westlichen liberalen Demokratien zu brechen. „Sie denkt, dass sie diese nicht braucht. Deshalb spricht Maduro wiederholt von einer Annäherung an die Bric-Staaten und die arabische Welt. Es bleibt dem Westen nur der diplomatische Weg.“

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1 Kommentar

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  • Warum gibt es nicht deutliche Empörung über diese undemokratische Machtergreifung und Fortführung eines despotischen Systems?



    Letztendlich wird die einfache Bevölkerung wieder leiden.