Madonnas Regiedebüt auf der Berlinale: Klischees in Frotteeunterhose
"Filth and Wisdom" ist Madonnas Regiedebüt. Und zeigt schöne, obercoole Menschen. Es taugt nichts. Hätte allerdings schlimmer kommen können.
Madonna ist super. Ihre Musik, ihre Shows, ihre Geschichte, ihr Yoga, ihre Kabbala, ihre Kinder und ihr Ehemann. Alles super. Nur Film konnte Madonna noch nie. Als Schauspielerin nicht, und jetzt als Regisseurin, nun ja, macht sie eben einen Film für eine sehr kleine Zielgruppe: nur für Rheinländer. Nach Besichtigung von "Filth and Wisdom" zumindest hört man schon den Rheinländer zu Madonna sagen: "Liebelein, da haasse ein rischtisch jootes Filmschen jemacht, so lebendisch und trotzdem so fürs Herz! Kannste laache, kannste weine - nä, wat war dat für ein schönes Filmschen!" Will sagen: Es hätte noch schlimmer kommen können mit Madonnas Regiedebüt. Verstrahlte Dokus über Mystikerkibbuze am See Genezareth oder Betroffenheitsdokus über Aidswaisen in Simbabwe wären möglicherweise noch schwerer zu ertragen gewesen als das, was "Filth and Wisdom" jetzt geworden ist: eine Übung in gut gelaunter Belanglosigkeit.
Die Geschichte spielt in London. Dort wohnen in einer vom Filmausstatter schön real-life-mäßig ausgestatteten WG drei Leute zusammen - eine wunderschöne langhaarige Blonde, die Ballett tanzt, eine wunderschöne kurzhaarige Blonde, die Apothekerin ist, und Eugene Hütz. Hütz ist der Sänger der Band Gogol Bordello, an der Madonna schon seit längerem einen Narren gefressen hat und die sie im vergangenen Sommer schon bei ihrem "Live Earth"-Auftritt mit auf die Bühne ließ. Im Film ist Hütz ein Ukrainer mit großem Maul und ebensolchem Herzen, der, um mit seiner Band Gypsypunk machen zu können, Geld verdienen muss mit Rollenspielen, bei denen er hübsch rheinländisch verkleidet andere Männer zu Schulbuben oder Pferden degradiert. Hütz spielt also über weite Strecken einfach sich selbst beziehungsweise das, was Madonna wohl in ihm sieht: das Erdige, Witzige, ein bisschen Vulgäre, das Menschlich-allzu-Menschliche eben.
Bei allen drei Protagonisten läufts nicht so gut - die Ballerina muss in einem Stripclub anheuern, die Apothekerin sammelt, um sich von ihren eigenen Problemen abzulenken, Geld für die hungernden Kinder in Afrika, Hütz leidet mit dem blinden schwulen Poeten, der einen Stock unter ihnen wohnt und die klischeeseligst bebilderte Schaffenskrise der Filmgeschichte durchmacht.
In leichtfüßig aneinandergereihten Episödchen erzählt der Film dann, wie sie alle aus ihren jeweiligen "Krisen" wieder herauskommen. Juliette, die Apothekerin, bekommt einen lustigen und warmherzigen Sidekick in Person ihres Chefs, Holly, die Tänzerin, lernt in vielen lustigen und warmherzigen Szenen, wie man sich in Highheels um die Stange wickelt. Eugene Hütz hat in der Badewanne kreative Eingebungen, sagt bauernschlaue Dinge zu seinen Mitbewohnerinnen und haut für den Zuschauer aus dem Off wie aufgezogen ukrainische Spruchweisheiten raus. Am Ende haben alle ihre jeweilige "Krise" überwunden und finden sich zur großen Abschlussparty beim großen Konzert von, na?, Gogol Bordello zusammen.
Alle Geschichten in diesem Film sind Nicht-Geschichten, alle Schauspieler sind eher nicht gut. Verpackt als leichtfüßige Komödie will "Filth and Wisdom" eigentlich nur eines: Zeigen, was für Menschen Madonna toll findet - nämlich obercoole, schnauzbärtige Zausel mit schwerem russischem Akzent und grünen Frotteeunterhosen, die sich als lebende Ratgeber gerieren. Und zeigen, was für Madonna Leben heißt: sich durchkämpfen, an sich selbst glauben, sein Glück in die Hand nehmen. Das aber wussten wir alles auch schon vor dem Film.
Bleibt als Surplus nach anderthalb Stunden eine einzige Szene, die auch für Nicht-Rheinländer Witz hat: Im Stripclub gelingt Holly ihr erster Auftritt erst, als der DJ Madonnas Stück "Erotica" vom Plattenteller nimmt und dafür Britney Spears auflegt.
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