piwik no script img

Madagaskar soll sauber scheinen

Ein Jahr nach einer Präsidentschaftswahl, die zum Bürgerkrieg führte, will der neue Staatschef sich bestätigen lassen

BERLIN taz ■ In der madegassischen Hauptstadt Antananarivo ist das Großreinemachen ausgebrochen. Mit Staatsgeldern entstehen öffentliche Toiletten, die Regierung ruft zu Putzaktionen in Büroräumen auf. Alles soll sauber und transparent aussehen, wenn am Sonntag die Bürger ein neues Parlament wählen.

Mit den Wahlen will Präsident Marc Ravalomanana seine noch immer zerbrechliche Macht festigen. Am 16. Dezember 2001 besiegte der reichste Geschäftsmann Madagaskars und Bürgermeister der Hauptstadt den bisher regierenden Autokraten Didier Ratsiraka bei einer Präsidentenwahl. Ratsiraka erkannte seine Niederlage nicht an und verlangte eine Stichwahl, die Ravalomanana ablehnte, gestützt auf Nachzählungen, die ihm die absolute Mehrheit bestätigten.

Erst Anfang Juli gab Ratsiraka nach und floh nach Paris. Zwischenzeitlich hatte er den 17- Millionen-Einwohner-Inselstaat im Indischen Ozean an den Rand eines Bürgerkrieg gebracht: die Sezession der ihm treuen Landesteile proklamiert, Milizen aufgestellt, Straßen und Brücken gesprengt, Söldner angeworben.

Ravalomanana übernahm ein verwüstetes Land. Die Krise hatte Handel und Wirtschaft lahm gelegt. Über 150.000 Arbeitsplätze wurden vernichtet, Grundnahrungsmittel und Treibstoffe waren knapp und teuer geworden. Erst in der zweiten Jahreshälfte unterstützte das Ausland den gewählten Präsidenten mit Hilfszusagen. 2,3 Milliarden Dollar versprach am 26. Juli in Paris eine Geberkonferenz, davon 1,4 Milliarden bis Ende 2002. Das ist mehr, als Afghanistan bekommt. In der Realität ist nur ein Bruchteil ausgezahlt worden, aber die Zusagen reichen für endlose Mengen von Projekten. Madagaskar ist zu einem Eldorado für Entwicklungshelfer geworden. Während Frankreich Geheimdienstler ausbildet, kümmert sich Deutschland um den Naturschutz.

Innenpolitische Probleme werden dabei zumeist großzügig übersehen. Dass Ravalomanana als erste Amtshandlung nach Ratsirakas Flucht im Juli die Gehälter der Minister verzehnfachte – auf 3.500 Dollar im Monat, das vierzehnfache jährliche Pro-Kopf-Einkommen des Durchschnittsmadegassen – entsprach keinem Kriterium guter Regierungsführung. Von wirtschaftspolitisch unklarem Nutzen sind auch die Zoll- und Steuererleichterungen für wichtige Importgüter wie Zement, Wellblech oder Saatgüter, die im November in Kraft traten. Denn nach der Steuersenkung waren die Waren genauso teuer wie davor.

Irgendjemand verdient daran und sorgt sicher auch dafür, dass die Ravalomanana-treue Parteienallianz um die Regierungspartei TIM (Tiako’i Madagasikara) die Wahlen gewinnt. „Am Wahlabend“, so die Tageszeitung Madagascar Tribune, „wird man sehen, dass die Kandidaten mit den schönen farbigen Wahlplakaten gewonnen haben.“ Die Herrschaft des Geldes hat sogar zu Streit im Präsidentenlager geführt. Über die Hälfte der 1.300 Kandidaten für die 120 Parlamentssitze treten nun als Unabhängige an – „farb- und geruchlos“, wie es Madagascar Tribune ausdrückte, also ohne Chance gegen die Männer mit den bunten Plakaten. Ratsirakas einstige Staatspartei Arema (Avantgarde der madegassischen Erneuerung) boykottiert die Wahlen.

Dabei sind diese, da ist man sich in Madagaskar einig, ein Spiel für die Geber, damit die ihr Geld auch auszahlen. Und vielleicht dient das ja der noch immer ungesicherten Stabilität. Noch immer machen Ratsiraka-treue Milizen Landesteile unsicher, und einige von Ratsirakas Offizieren schmieden im Ausland Putschpläne. Erst im November wurde einer von ihnen auf den Komoren verhaftet, einem bevorzugten Tummelplatz von Söldnern. DOMINIC JOHNSON

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen