Machtwechsel bei „Welt“ und „Politico“: Aust und vorbei
Der Springer-Verlag baut eine neue Dachmarke auf. Stefan Aust hört als Herausgeber der „Welt“-Gruppe auf. „Premium“-Herausgeber wird Ulf Poschardt.
In der Mitteilung heißt es, Aust (78) höre zum Jahreswechsel als Herausgeber auf, bliebe aber Autor des Hauses. Seit 2014 ist er in der Herausgeberposition für die Welt-Gruppe tätig. Aust zählt zu den bekanntesten Journalisten Deutschlands. Er war viele Jahre für das ARD-Format „Panorama“ tätig, er baute „Spiegel TV“ auf und war über Jahre an der Spitze des Nachrichtenmagazins. Er stieg später beim Nachrichtensender N24 ein, der Teil des Springer-Konzerns wurde. Sein Wechsel zu Springer hatte manchen in der Branche verwundert, weil viele Aust bei eher linksorientierten Medien verortet hatten.
Der neue Chef
Poschardt ist seit 2016 Chefredakteur der Welt-Gruppe, die aus Zeitung, Sonntagszeitung samt digitalen Angeboten und TV besteht, und er wird nun Herausgeber der neuen Dachmarke „Premium-Gruppe“. Der 57 Jahre alte Journalist ist für seine Präsenz auf der Social-Media-Plattform X bekannt. Neuer Chefredakteur der Welt-Gruppe wird der Journalist Jan Philipp Burgard (39), wie es weiter hieß. Er bleibt zugleich in Personalunion Chefredakteur des Bereichs Welt TV. Burgard kam vor Jahren von der ARD zu Springer.
Außerdem führt der Konzern für die Welt am Sonntag wieder den Chefredakteursposten ein. Dieser war erst in diesem Jahr abgeschafft worden – ausgelöst dadurch, dass Chefredakteurin Dagmar Rosenfeld zu Media Pioneer von Gabor Steingart wechselte, an dem Springer Anteile hält. Seither gab es mit Jacques Schuster (59) einen Verantwortlichen für die Sonntagszeitung. Der Journalist wird Chefredakteur des Blattes.
Wie die deutschen Ableger von „Politico“ und „Business Insider“ mit „Welt“ kooperieren
Axel Springer schafft eine neue Dachmarke für die Welt-Gruppe, Politico Deutschland und Business Insider Deutschland als „Premium-Gruppe“ mit mehr als 40 Millionen Nutzern pro Monat.
Die Marken sollen spezifische Inhalte produzieren, sie bleiben aber publizistisch eigenständig mit eigenen Produkten, Formaten und Plattformen. Ob der Schritt mit einem Stellenabbau einhergeht und wie hoch die Investitionen sind – dazu machte Springer keine Angaben.
Die Welt-Gruppe soll innerhalb der Dachmarke Kompetenzcenter für Bewegtbild sein. Die digitalen Marken Politico und Business Insider sollen investigative und exklusive Politik- und Wirtschaftsberichterstattung publizieren. Diese beiden Marken, die es zuvor schon in den USA gab, werden redaktionell ausgebaut, wie es von Springer weiter hieß.
Es gibt darüber hinaus auch hier personelle Veränderungen. Neben dem Chefredakteur von Politico Deutschland, Gordon Repinski, kommt der Welt-Ressortleiter Außenpolitik, Klaus Geiger (48), hinzu. Als Senior Executive Editor soll er weitere Bezahl-Produkte und Eventformate verantworten. Kayhan Özgenc (54) bleibt Chefredakteur bei Business Insider Deutschland mit Schwerpunkt auf investigativer Recherche. Moritz Seyffarth (30) stößt von der Welt-Gruppe hinzu und wird ebenso Chefredakteur der Marke. Geiger (Politik) und Seyffarth (Wirtschaft) leiten zudem jeweils eines der Kompetenzcenter in der Premium-Dachmarke.
Impulse für das Geschäft mit Werbung
Mit der neuen Dachmarke will der Konzern auch in der für die Medienbranche wichtigen Werbewirtschaft, die in Deutschland etwa im Bereich TV schon länger schwächelt, im Premium-Segment punkten. Der Springer-Konzern spricht von neuen Kommunikationslösungen, „die es so auf dem deutschen Medienmarkt bisher nicht gibt.“ Chef der Premium-Gruppe wird der Springer-Manager Peter Würtenberger (58).
Springer-Chef Mathias Döpfner teilte mit: „Die Schaffung der Premium-Gruppe ist ein Gründungsmoment und vor allem ein entschiedenes Bekenntnis zum Qualitätsjournalismus.“ Er sprach für die Welt-Gruppe von einer „Zukunftssicherung als intellektuelles Leit- und Debattenmedium“.
Im September war bekannt geworden, dass Axel Springer wieder ein Medienhaus in Familienhand wird. Der Medienbereich soll im Besitz von Friede Springer – Witwe des Verlegers Axel Springer (1912-1985) – und Mathias Döpfner, der ebenso Anteile hält, geführt und von den Rubriken-Geschäften mit Job- und Immobilienportalen abgetrennt werden. Die Pläne stehen unter dem Vorbehalt behördlicher Genehmigungen und die Transaktion soll voraussichtlich im zweiten Quartal 2025 erfolgen.
Die Mediengeschäfte mit den Marken Bild, Business Insider, Politico, Welt, Morning Brew und weitere Bereiche wie unter anderem das Online-Vergleichsportal „Idealo“ verbleiben bei Springer. Knapp 98 Prozent des Unternehmens kontrollieren dann Döpfner (61) – seit 2002 Vorstandsvorsitzender – und Friede Springer (82). Perspektivisch will sich Axel Springer vom gedruckten Zeitungsgeschäft verabschieden und ein reines Digitalunternehmen werden. Ein Zeitpunkt wurde bisher nicht genannt.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Selbstzerstörung der FDP
Die Luft wird jetzt auch für Lindner dünn
Stellenabbau bei Thyssenkrupp
Kommen jetzt die stahlharten Zeiten?
Stellungnahme im Bundestag vorgelegt
Rechtsexperten stützen AfD-Verbotsantrag
Greenpeace-Mitarbeiter über Aufrüstung
„Das 2-Prozent-Ziel ist willkürlich gesetzt“
Kinderbetreuung in der DDR
„Alle haben funktioniert“
Iran als Bedrohung Israels
„Iran könnte ein Arsenal an Atomwaffen bauen“