Machtwechsel an der Spitze der ÖVP: Pröll wird Chef
Nach dem schlechten Abschneiden der österreichischen Konservativen bei den Wahlen tritt deren Chef Molterer zurück. Josef Pröll, bisheriger Landwirtschaftsminister, übernimmt den Parteivorsitz.
Österreichs Landwirtschaftsminister Josef Pröll wird ÖVP-Chef Wilhelm Molterer nachfolgen. Nach der verheerenden Wahlschlappe vom Sonntag (minus 8,7 Prozentpunkte) zog Molterer schneller als erwartet die Konsequenzen. Schließlich hatte er im Juli die Koalition mit der SPÖ platzen lassen und einen desaströsen Wahlkampf geführt. Nach einer kurzen Parteivorstandssitzung am Montagabend verkündete der Noch-Vizekanzler, dass er seinen Nachfolger selbst vorgeschlagen habe, vorerst zum geschäftsführenden Parteiobmann.
Mit dieser Entscheidung sind die Weichen in Richtung Neuauflage der Koalition mit der SPÖ gestellt, obwohl Pröll in einer ersten Stellungnahme alle Optionen offen ließ. Jeder weiß aber, dass der Hoffnungsträger der Erneuerer in der ÖVP für eine rechnerisch mögliche Allianz mit den beiden erstarkten Rechtsparteien FPÖ und BZÖ wenig Sympathie hegt. Und der Gang in die Opposition ist bei den Christdemokraten unpopulär.
Molterers schneller Abgang bedeutet auch, dass das "System Schüssel", so Ex-EU-Kommissar Franz Fischler, Geschichte ist. Wolfgang Schüssel, der vor zwei Jahren auf den Verlust des Kanzlersessels nicht vorbereitet war, wird für den Schwenk nach rechts und die Obstruktionspolitik verantwortlich gemacht, die die jüngste Regierung scheitern ließ. Schüssel versuchte noch, den Parteigranden die strenge Innenministerin Maria Fekter als Chefin schmackhaft zu machen, die seine Linie fortsetzen würde. Doch die Landeshauptleute Erwin Pröll (Niederösterreich) und Josef Pühringer (Oberösterreich) sowie Wirtschaftskammerpräsident Christoph Leitl drängten auf Erneuerung.
Schüssel, der die Sitzung sichtlich erzürnt verließ, wird seinen strategisch wichtigen Posten als Fraktionschef wohl räumen müssen. Weitere Personalentscheidungen werden erst in den kommenden Tagen fallen. Mit dem Abgang der Schüssel-Seilschaft, darunter Wirtschaftsminister Martin Bartenstein und Außenministerin Ursula Plassnik, ist aber zu rechnen.
Fischler brachte in der Tageszeitung Der Standard eine Variante ins Spiel, die eine Neuauflage der abgewählten Koalition attraktiver machen würde: die Hereinnahme der Grünen. Diese "Kenia-Koalition" hätte nicht nur den Vorteil der Zweidrittelmehrheit, die für Verfassungsänderungen erforderlich ist. Sie würde auch signalisieren, dass doch nicht alles beim Alten bleibt.
Beide Parteien hatten im Wahlkampf mit den Grünen kokettiert. Informelle Kontakte soll es vor der Wahl schon gegeben haben. Und Grünen-Chef Alexander Van der Bellen ist nicht abgeneigt: "Das ist eine Variante, die zu diskutieren sein wird." Als reine "Behübschung" wolle man aber nicht herhalten. Dort, wo sie mit der ÖVP regieren, in den Landeshauptstädten Bregenz und Graz sowie im Land Oberösterreich, legten die Grünen, die bundesweit etwas verloren, sogar leicht zu oder verloren weniger. In Wien sind sie in 5 - bisher 2 - von 23 Bezirken stärkste Kraft.
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