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Machtkampf unter Irans GeistlichenFatwa gegen Chamenei

Ajatollah Ali Montazeri hat eine religiöse Anweisung herausgegeben, die den Revolutionsführer Chamenei kritisiert, und ruft zum Widerstand der Gläubigen gegen geschehenes Unrecht auf.

Ali Montazeri hat sich nun am weitesten von allen Großajatolllahs gegen das Regime in Teheran herausgewagt. Bild: rtr

Ajatollah Ali Montazeri hat am Sonntag eine Fatwa, eine religiöse Anweisung herausgegeben, die sicherlich nicht ohne Wirkung auf die Lage im Iran bleiben wird. Die Fatwa, die eher einer Anklageschrift gegen den Revolutionsführer Ali Chamenei gleicht, fordert die Gläubigen dazu auf, gegen das Unrecht, das ihnen widerfahren ist, Widerstand zu leisten.

Ohne den Revolutionsführer beim Namen zu nennen, schreibt Montazeri: Sollte ein Verantwortlicher seine weltlichen und religiösen Pflichten versäumt und das Vertrauen des Volkes missbraucht haben, gelte er automatisch als abgesetzt. Sollte er jedoch versuchen, durch Gewalt, Lug und Trug sich an der Macht zu halten, seien die Gläubigen verpflichtet, mit allen gesetzlich erlaubten Mitteln ihn abzusetzen. Kein Gläubiger dürfe sich, unter welchem Vorwand auch immer, dieser Verpflichtung entziehen.

Ajatollah Montazeri galt nach Ajatollah Chomeini als zweitwichtigster Geistlicher der Islamischen Republik. Chomeini hatte ihn zu seinem Nachfolger bestimmt. Doch kurz vor Chomeinis Tod fiel Montazeri in Ungnade, weil er die damaligen Massenhinrichtungen kritisierte. Er musste jahrelang in Hausarrest verbringen. Dennoch genießt er unter den Großajatollahs und in religiösen Kreisen eine hohe Autorität, seine religiösen Anweisungen werden von Millionen Gläubigen befolgt. Seine Fatwa gegen Revolutionsführer Chamenei wird der Protestbewegung ohne Zweifel neuen Schwung verleihen.

Es wird erwartet, dass auch andere schiitische Großajatollahs, wenn auch nicht in dieser scharfen Form, nachziehen und direkt oder indirekt Montazeris Fatwa bestätigen. Es ist schon bemerkenswert, dass bis auf einen keiner der Ajatollahs bislang die Wahlen vom 12. Juni bestätigt und Ahmadinedschad zu seinem angeblichen Sieg gratuliert hat. Sollten sie sich gar kritisch äußern, würde der Revolutionsführer, der gleichzeitig den Anspruch auf die Führung der Geistlichkeit erhebt, vollends seine Legitimität verlieren. Doch ein Ajatollah, der sich nur noch mithilfe von Militärs an der Macht hält, wäre für einen Staat, der sich auf den Islam beruft, nicht tragbar.

Fragt sich nun, wie es im Iran weitergehen wird. Fest steht, dass der Widerstand trotz verstärkter Repressionen nicht gebrochen ist. Am vergangenen Donnerstag säumten tausende von Demonstranten in Teheran und anderen Städten die Straßen. Auch neuen fantasievollen Formen von Protesten sind keine Grenzen gesetzt.

Die beiden unterlegenen Kandidaten, Mehrdi Karrubi und Mir Hossein Mussawi, haben bisher dem enormen Druck und den Drohungen seitens der Machthaber nicht nachgegeben. Selbst wenn es den Machthabern gelänge, vorübergehend Ruhe herzustellen, würden sie die "Glut, die unter der Asche lodert", nicht mehr löschen können, schrieb Karrubi. Auch der ehemalige Staatspräsident Mohammed Chatami, der sich mit emotionalen Äußerungen sonst eher zurückhält, bezeichnete in einer scharfen Erklärung den Wahlbetrug und das Vorgehen der Regierung als "sanften Militärputsch".

Einzig der ehemalige Staatspräsident Haschemi Rafsandschani, der über eine große Hausmacht im islamischen Establishment verfügt, hält sich noch zurück. Obwohl er zu den wichtigsten Teheraner Freitagspredigern gehört, ist er seit dem Ausbruch der Unruhen der Predigt ferngeblieben. Nun ist er für den kommenden Freitag angekündigt. Seine Predigt wird mit großer Spannung erwartet. Sollte die nun herausgegebene Fatwa von Ajatollah Montazeri andere religiöse Instanzen zu eindeutigen Stellungnahmen ermuntern, käme Rafsandschani eine Schlüsselrolle zu. Er ist Vorsitzender des Expertenrats, des einzigen Gremiums, das nach der Verfassung dazu befugt ist, den Revolutionsführer zur Abdankung zu zwingen.

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10 Kommentare

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  • MR
    Musa Rahmanian

    Die Fatwa hat keine große Bedeutung, denn Muntezari bestätigt lediglich das, was schon zuvor Mousavi angekündigt hat: nur noch den legalen Weg zu agieren.

  • A
    Agnostiker

    Meines Wissens ist eine FATWA keine relgiöse Anweisung, sondern ein Rechtsgutachten im Islam.

  • KA
    Kaveh Ahangar

    Liebe Marjane, ich muss Dich leider korrigieren. Die ersten zwei Präsidenten der Islamischen Republik, Bani Sadr und Rajai, waren beide keine Mullahs. Du musst Dich in Zukunft besser informieren bevor Du irgendwelche Kommentare schreibst.

  • S
    sahin

    Der kurdische Wesir Schirkuh

     

    Nach den drei syrischen Ägyptenfeldzügen wurde Schirkuh, der kurdische General von Nureddin Zengi (Herrscher von Damaskus), vom Fatimidenkalifen Al Adid zum Wesir ernannt. Es war wohl weniger eine bloße „Ernennung“, sondern Schirkuh war mehr oder weniger dazu gezwungen, den Posten des letzten fatimidischen Wesirs Schawer zu übernehmen, den Saladin auf Befehl des Kalifen eigenhändig ermordet haben soll. Nach dem Tod Schawers war nämlich kaum eine andere Person in der Lage, dieses entscheidende Amt auszuüben. Der Soldat und große Krieger Schirkuh schien die passende Wahl zu sein: eine erfahrene Persönlichkeit, welche die dafür nötigen Eigenschaften besaß. Damit war er der richtige Verwalter und Statthalter. Außerdem spielte bei der Entscheidung des Kalifen vermutlich eine Rolle, dass Schirkuh so viele Soldaten bei sich hatte und diese sich schon in Kairo befanden. Al Adid, ein junger und kränklicher Mann, der zum letzten Kalifen der Fatimidendynastie werden sollte, sah offenbar keine andere Möglichkeit, als ihm diesen Titel zu geben und auf den leeren Posten Schawers zu bringen. Über die Wahrscheinlichkeiten darf und muss man reden, weil über Schirkuh bis in unsere Zeit ungerechterweise so wenig überliefert wurde.

     

    Wenn es auch nicht Schirkuhs direktes Vorhaben gewesen sein sollte, beabsichtigte er doch sicherlich, Ägypten zu erobern und dieses Land im Namen des Islams einzunehmen. Damit würden nicht nur die Franken geschwächt, sondern auch die Byzantiner und andere Christen aus Europa. ....

     

     

    Süleyman Deveci

    Saladin, der Kurde

     

    Süleyman Deveci berichtet über den Werdegang des in die Geschichte eingegangenen Kurden Saladin, der es zum Ende seiner Ära sogar erreichte, eine eigene Dynastie – die Ayyubidendynastie – in Ägypten zu gründen. Aus zahlreichen Quellen trägt Deveci zusammen, unter welchen Voraussetzungen und durch welche Bündnisse und Listen Saladin zum Sieger über die Kreuzfahrer wurde und zu der ihm heute zugestandenen Glorie kam. Er vergisst dabei auch nicht, die Namen derjenigen zu erwähnen, welche eine entscheidende Rolle bei diesem Lauf der Geschichte gespielt und die es erst möglich gemacht haben, dass Saladin zu seinem heutigen Ruhm gelangte.

  • V
    vic

    Schlimm genug wenn Ajatollahs in einem Staat das Sagen haben.

    Aber vielleicht ist diese Art von Macht ja auch mal zu etwas nutze.

    Alle Macht dem Volk!

  • M
    Marjane

    Naja, die Ajatollahs haben Angst, denn die Revolutionsgarden und vor allem den Basidsch-e und Achmadinejad gefährden die Macht der Geistlichen und sind mittlerweile zu einer wirklichen "Gefahr" für das geistliche Establishment geworden. Vondaher zeigt die Reaktion vieler Ajatollahs sicherlich nicht deren "demokratisches" oder "revolutionäres" Engagement, wie es immer behauptet wird, sondern zeigt einfach nur, dass die Angst haben an Macht zu verlieren. Und sie haben auch nicht Angst vor dem gemäßigten Mussawi, sondern von den "radikalen Islamisten", wenn man die so nenen will, nämlich den Basidsch-e, zu denen auch Achmadinejad gehörte, der der erste Präsident war, der nicht Ajatollah ist.

    Das sollte nicht vergessen werden. Die Machtspiele im iranisches Establishment sollten besser recherchiert werden. Nicht das die taz hier das einzige Blatt wäre, das es sich da zu einfach macht...

  • KY
    Kianusch Yamini

    " eine Gottlose Regierung kann von Dauer sein, eine Unterdrückerische nicht "

    Mohammad.

     

    Ganz egal wie man zu Mohammad steht,Das Zitat hat meiner Meinung nach seine Berechtigung.

     

    Das Urteil Montaseries ist in etwa zu vergleichen mit dem Aufstand Luthers gegen den Papst.

    Wobei Luther nur ein kleiner Dr. war und Montaserie eher ein Papst ist.

     

    An die Stelle der Iranischen Machthaber würde ich Vorbereitungen für meine Flucht ins Ausland treffen.

  • AA
    Ali Araki

    Hmm, eigentlich bedeutet diese Fatwa auch nach den Spielregel des Regimes vorzugehen (damit sind auch die Anweisungen des religiösen Führers gemeint!!!), denn in der Fatwa heißt es "mit allen gesetzlich erlaubten Mitteln ihn abzusetzen"

  • RS
    Rehad Shayan Arkian

    Sehr geehrter Herr Nirumand,

     

    Sie sind leider nicht auf den aktuellen Stand, schon vor eine Woche hat die einflussreichste Gelehrtenvereinigung Jame-ye Modaressin-e Ghom Ahmadinejad gratuliert.

    http://www.mehrnews.com/en/NewsDetail.aspx?NewsID=907337

     

    Der Vollständigkeitshalber sei erwähnt, dass die Jame-ye Modaressin-e Ghom die einflussreichste Gelehrtenvereinigung ist, worin die meisten Großgelehrten (Mujtahids) organisiert sind. In der Jame-ye Modaressin-e Ghom sind zahlreiche politische unaffilierte Großgelehrten Mitglied, wie zum Beispiel Großayatullah Makarem-e Shirazi oder Ayatullah Jafar Subhani (leider werden diese Gelehrten in der westlichen Rezeption als konservativ bezeichnet, da sie das Prinzip Wilayat al-Faqih bejahen, aber das tun ebenso Großayatullah Sanei und tatsächlich immer noch Großayatullah Montezari [in übrigen auch Großayatullah Sistani, für alle Medien der Welt lesbar unter http://www.sistani.org/local.php?modules=nav&nid=5&cid=632 ])

     

    Mit freundlichen Grüßen

     

    Arkian

  • P
    paule

    sehr schöner und informativer Bericht. GO TAZ!