Machtkampf in Honduras: Abkommen ist gescheitert
Die Vereinbarung für eine Übergangsregierung der nationalen Einheit ist gescheitert. Putschisten und Präsident unversöhnt. Das zentralamerikanische Land steuert auf Straßenkämpfe zu.
TEGUCIGALPA taz | Eine Woche nach der Unterzeichnung eines Abkommens zwischen dem Putschregime und dem Ende Juni abgesetzten Präsidenten Manuel Zelaya ist es bereits gescheitert. Das Abkommen sah die Einsetzung einer Regierung der Einheit und Versöhnung bis 5. November vor. De-facto-Präsident Roberto Micheletti präsentierte gestern ein neues Kabinett und erklärte, er habe die Vereinbarung eingehalten. Zelaya hingegen erklärte das Abkommen für gescheitert, nachdem der Kongress sich geweigert hatte, bis Mitternacht seine Absetzung zu annullieren. Zelaya betrachtet das als Voraussetzung zur Bildung der Übergangsregierung.
Das Abkommen von Tegucigalpa/San José war am 30. Oktober unter dem Druck der USA beschlossen worden. Doch blieben zahlreiche Punkte offen, darunter, wer die geplante Übergangsregierung zusammenstellen und führen sollte. Sowohl Micheletti als auch Zelaya beanspruchten diese Rolle für sich. Micheletti ist zwar von keiner Regierung der Welt anerkannt, kontrolliert aber den Staatsapparat. Er forderte alle Parteien auf, Listen mit geeigneten Personen vorzulegen, und appellierte an seine Minister, ihre Ämter zur Verfügung zu stellen. Kurz vor Mitternacht trat er über die gleichgeschalteten TV- und Radiokanäle an die Öffentlichkeit und präsentierte ein Kabinett, das nur um einige Vertreter von Kleinstparteien erweitert wurde. Auf eine Liste mit Kandidaten Zelayas habe er vergeblich gewartet.
Zelaya, der seit 21. September in der brasilianischen Botschaft in Tegucigalpa ausharrt, hatte seinerseits dem Kongress eine Frist bis Mitternacht gesetzt, seine Absetzung zu annullieren. Seiner Interpretation zufolge ist dies die Voraussetzung für die Bildung der Übergangsregierung. Der Kongress verweigerte ihm allerdings diesen Gefallen und verwies auf Micheletti: Dieser habe es versäumt, den Kongress rechtzeitig einzuberufen. Daraufhin erklärte Zelaya das Abkommen für gescheitert. Er forderte in einem Kommuniqué die internationale Gemeinschaft auf, die Wahlen am 29. November nicht anzuerkennen.
Tatsächlich sah das Abkommen vor, dass der Kongress über die Wiedereinsetzung Zelayas abstimmen sollte, doch war dafür keine Frist gesetzt. Mit demonstrativer Gelassenheit beschloss das Präsidium des Kongresses am Dienstag, das Abkommen zunächst verschiedenen Gremien zur Beurteilung vorzulegen, so dem Obersten Gerichtshof, dem Innenministerium, der Staatsanwaltschaft und dem Ombudsmann für Menschenrechte. Deren Meinung ist unverbindlich, nach Ansicht von Juristen haben sie sich zu einem politischen Abkommen nicht zu äußern. "Das sind Verzögerungsmanöver", sagt die unabhängige Kandidatin für das Bürgermeisteramt von Tegucigalpa, Doris Gutiérrez. Sie meint, die Abstimmung könne bis nach den Wahlen verschleppt werden, um die Linke auszubremsen.
Denn diese kann sich seit dem Putsch über enormen Zulauf freuen. Jeden Tag demonstriert die Widerstandsfront mit Sprechchören, Trillerpfeifen und Musik vor dem Kongressgebäude. Aus allen Landesteilen strömen weitere Demonstranten in die Hauptstadt.
Die USA haben bestätigt, dass sie die Wahlen anerkennen werden, egal wann und wie der Kongress über Zelaya abstimmt. Doch die am Dienstag eingesetzte Kommission, die die Umsetzung des Abkommens sichern soll, drängt auf schnelles Handeln. Marvin Ponce, Abgeordneter der linken Unificación Democrática, gab sich Donnerstag überzeugt, dass eine ausreichende Zahl von Abgeordneten für die Rückkehr von Zelaya stimmen werde. Nach der Aufkündigung des Abkommens dürfte diese Abstimmung aber hinfällig sein. Jetzt heißt es: Zurück zum Start.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Rekrutierung im Krieg gegen Russland
Von der Straße weg
Umfrage zu Sicherheitsgefühl
Das Problem mit den Gefühlen
Deutschland braucht Zuwanderung
Bitte kommt alle!
Israelische Drohnen in Gaza
Testlabor des Grauens
„Freiheit“ von Angela Merkel
Die Macht hatte ihren Preis
Gewalt an Frauen
Ein Femizid ist ein Femizid und bleibt ein Femizid