KOMMENTAR: Macht und Tugend
■ Altmodisches zur moralischen Krise bremischer Politik
Wo die Macht fehlt, kann die Tugend vielleicht ein wenig Ausgleich im politischen Selbstgefühl einer einstmals stolzen Hansestadt schaffen. Viel Macht über das eigene Schicksal hat Bremen, niemanden wird das überraschen, nicht. Wie steht es mit der politischen Tugend? Wo ein Senator sein öffentliches Ansehen mehrt, weil es ihm doch tatsächlich gelungen ist, nach einem halben Jahr einen korrupten Beamten krankheitshalber in den vorzeitigen Ruhestand zu schicken, ist man offenbar anspruchslos geworden. Wo sich der Eindruck verstärkt, daß wir Zeuge einer zwar weniger dramatischen, aber nicht minder folgenreichen Geiselnahme des Innensenators durch die Polizei werden, ist das nicht mehr nur eine Frage der Selbstachtung eines einzelnen Politikers. Vielleicht glaubt man ja, daß das moralische Kapital eines Gemeinwesens beliebig ausgebeutet werden kann.
Es stimmt ja: wer glaubt schon noch an das altmodische Prinzip, daß Macht auf moralischen Grundsätzen beruht? Gewiß aber gibt es ein öffentliches Bewußtsein, dem nicht entgeht, wann eine politische in eine moralische Krise übergeht, die sich in dem Maße verstärkt, in dem sie von der Politik nicht wahrgenommen wird. Videant consules.
U.K.P.
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