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Mach's gut, du schöne Zeit...

■ Das etwas andere Rockkonzert: Die „Böhsen Onkelz“ drinnen im Aladin, draußen die Mannschaftswagen/ Braver Hardrock und viel Kitsch, um das böhse Image loszuwerden

Es sollte ein ganz normales Konzert werden. Zwar standen zwei Mannschaftswagen der Polizei in Breitschaft, ein paar Streifenwagen kreuzten vor dem Aladin und an jedem Eingang standen mindestens fünf kriegerisch wirkende Ordner – aber die großangekündigte Protestaktion der Antifa war mit zehn Flugblattverteilern beim türkischen Imbiß gegenüber so unscheinbar, daß kaum einer der 2000 Konzertbesucher sie bemerkte. Es war auch kein auf Krawall gebürsteten Neo-Nazi aufmarschiert – vielleicht war es den Kombattanten einfach zu heiß für die gängigen Rituale.

Und auch das Konzert selber war im Grunde alles andere als ein Politikum: Es spielte eine kaum originelle Hardrockband, die höchst angestrengt versuchte, ihren Ruf als Stimmungskapelle für die jungdeutsche Faschoszene ein für allemal loszuwerden.

Im vollbesetzten und entsprechend heißen Aladin schrien die Fans jede Textzeile mit, und mit „Fahr zur Hölle“ oder „Alles scheißegal“ schienen die langhaarigen 30jährigen auf der Bühne den kurzhaarigen und überwiegend tätowierten Teenies in der Sauna unter ihnen voll aus der Seele zu sprechen.

Die Texte sprühten nicht gerade über von positiven Lebensweisheiten (in „wiedermal der Tag verschenkt“, „jeden Tag wie der letzte“ und „doch ich muß mein Leben leben“ konnte man immerhin als Grundmotiv das „carpe diem“ erkennen), aber eine verborgene faschistoide Botschaft ließ sich kaum in ihnen finden.

Stattdessen fiel auf, wie sentimental die Onkels zu ihren stampfenden Gitarrenriffs reimen: „War's das schon? Wie geht es weiter? Wer weiß Antworten auf diese Fragen?“; ein andermal: „Dein Licht brennt noch in mir“ oder auch dies hier: „Mach's gut, du schöne Zeit, auf Wiedersehen“ könnten aus Poesiebüchern abgeschrieben worden sein; dazwischen wird immer wieder eine „böhse“ Textzeile im Stile von „hat Gott auf dich geschissen?“ gefeuert: So haben sich die „Onkelz“ ihren aggressiven Kitsch zusammengebastelt.

Bei einem überraschend ruhigen Liebeslied, das stilecht „unplugged“ mit Klampfen und auf Stühlen sitzend gespielt wurde, beging dann ein Fan den ultimativen Stilbruch indem er ein Feuerzeug über dem Kopf schwenkte. Nach einigen Sekunden bemerkte er seinen faux pas: Sowas gehört sich auch bei solch einem Konzert einfach nicht.

Auf andere Missetäter achteten sechs Ordner, die sich unter das Publikum mischten und nach den rechten Fans suchten, vor denen die Band inzwischen eine Höllenangst zu haben scheint. In einer Ecke an der Bar entdeckten sie dann tatsächlich drei Betrunkene, die rechtsradikale Parolen riefen und den Arm hochstreckten – sie wurden so rabiat und publikumswirksam herausgeworfen, daß ein guter Dramaturg es kaum besser hätte inszenieren können.

Bei der letzten Zugabe trauten sich die „Onkelz“ dann doch noch etwas: Sie sangen „Der nette Mann von nebenan“, eines ihrer indizierten Lieder aus früheren Zeiten, das als gewaltverherrlichend eingestuft war. In Ichform stellt sich darin ein Nachbar als „Kindermörder“ und „perverses Schwein“ vor – ein letzter, fast wütend vorgetragener Versuch, vielleicht doch noch etwas vom Image der Tabubrecher der frühen Jahre herüberzuretten.

Willy Taub

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