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MUSIK

MusikPhilipp Rhensiushört auf den Sound der Stadt

Hatte Wittgenstein Recht? Sind die Grenzen der Sprache wirklich die Grenzen der Welt? Bei der Betrachtung des Worts „fomo“ („fear of missing out“), also die Angst, etwas zu verpassen, ist das zu bezweifeln. Jene Sorge gibt es definitiv länger als das Internet – auch wenn es das Phänomen radikal verstärkt hat. Das gilt vor allem für das Musik-Mekka Berlin. Manchmal aber ist es möglich, zwei Dinge zugleich zu verfolgen. Der Freitag sollte mit dem Besuch der Volksbühne beginnen und im Ohm enden. In das Theater lädt am frühen Abend das Berliner NK Kollektiv,zum letzten Mal vor dem Regimewechsel, mit der Konzertnacht „The End“. Neben den auch als rhythmisches Krach-Duo auftretenden NK-Gründern Hatam und Hacklander spielen dort der italienische Minimal-Electronics-Guru Alessandro Adriani und der Synthesizer-Musiker Thomas Ankersmit,bevor JASSS Tracks zwischen Industrial und Jungle auflegt, die eine fragile Brücke zwischen Gegenwart und Zukunft schlagen (Linienstraße 227, 23. 6., 19 Uhr).

Danach sollte genug Zeit sein, fomo hat keine Chance, zum Album-Release der US-Musikerin Laurel Halo im Rahmen von Berlin Atonal zu gehen. „Dust“ enthält großartig opake Kompositionen, in denen sie ihren poetisch fragmentierten Gesang mit schwereloser Perkussion und jede Menger live eingespielter Instrumenten-Spuren verschaltet. Das ist tanzbar, ohne dass auch nur ein einziges Mal die böse, alles nivellierende, chauvinistische 4/4-Bassdrum eingesetzt wird. Mit dabei ist auch Hyperdub-Labelchef Kode9,dessen Sets, überdrehte Reisen durch Raum und Zeit, keinen Breakbeat auslassen, der in den letzten 20 Jahren in seiner Heimat London, oder in Durban und Tokio entstanden ist. Von Dubstep bis Jungle, von obskuren japanischen Synthpop bis US-Footwork. Angewandte Körperpolitik. Weltmusik 2.0 (Köpenicker Str. 70, 23. 6., 0 Uhr).

Eine interessante Perspektive auf die alte Weltmusik, also die schlimme, von eurozentrischen Wohlfahrtspatronismus vergiftete Variante, gibt es am nächsten Tag im HAU in der Reihe Ein Traum von Weltmusik. Dort wird unter anderem das aus migrantischen MusikerInnen bestehende Ensemble Heimatlieder aus Deutschland das „Canto Ostinato“ von Simeon ten Holt interpretieren (Stresemannstr. 29, 24. 6., 19 Uhr).

Am Sonntag ab 15 Uhr gibt es ein Showcase des wohl besten Labels für elektronische Musik: Ninja Tune,inzwischen 27 Jahre alt, wartet mit vier ihrer derzeit coolsten Künstler auf. Neben dem deutschen Funk-House-Musiker Max Graef und dem für sein hyperschnelles Mixing bekannten Kutmah spielt niemand geringeres als Bassmusic-Hero Illum Sphere. (Ipse, Vor dem Schlesischen Tor 2b, 25. 6, 15 Uhr).

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