piwik no script img

MÖLLEMANN UNTERBIETET BIG BROTHER UNTERBIETET MÖLLEMANNDas Fähnchen im Container

Dieser Mann nervt. Seit Jahren. Dabei macht Jürgen Möllemann – Verzeihung, Jürgen W. Möllemann – doch nur seinen Job: Deutschlands penetrantester Fallschirmspringer, Einkaufswagenchipverschieber und Spitzenkandidat der FDP in Nordrhein-Westfalen betreibt Wahlkampf. Mit aller Macht will er die Liberalen über acht Prozent hieven. Und wie immer ist ihm dafür kein Gag zu billig, kein Auftritt zu peinlich, schauen ihm dabei nur genügend Leute zu.

Nun ist es seit den zahlreichen TV-Erscheinungen des ehedem allgegenwärtigen CDU-Gutmenschen Norbert Blüm nicht mehr neu, dass Politiker ihren Beruf als Unterhaltung missverstehen und sich deshalb ins quotenträchtige Abendprogramm einblenden. Aber die Show, die Jürgen W. Möllemann am Sonntag bei seinem Auftritt in der Mobbingexegeseveranstaltung „Big Brother – Der Talk“ hinlegte, hatte eine neue Qualität: Normalerweise tummeln sich in der RTL 2-Sendung sonst nur halbseidene „Experten“ mit nicht geschützten Berufsbezeichnungen wie „Motivationstrainer“, „Medienexpertin“ oder „Astrologe“, um das triste Treiben im Container zu kommentieren. Mit Möllemann war immerhin ein Vizekanzler a. D. vertreten, extra billige Gemeinplätze verbreitend: Die Parteien sollen niemandem Vorschriften machen, Erwachsene können selbst entscheiden, keine Vorschriften von Parteien für mündige Bürger und so weiter und so fort und dann nochmal von vorn. Ein Spielverderber, der hier nicht klatscht. Möllemanns unsteter Blick, immer auf der Suche nach Zustimmung, glomm auf. Es mag sogar ihn überrascht haben, dass sein niederes Niveau von Moderator Percy Hoven („Das ist Ihr Applaus! Viel Glück für Sonntag!“) noch unterkrochen wurde.

So macht man also Politik, Verzeihung, „Politik“: Aufspringen, möglichst auf einen fahrenden Zug, voll besetzt am besten. „Big Brother“ ist so ein Zug. 4,15 Millionen Menschen sahen die Möllemann-Werbeveranstaltung, von den „werberelevanten“ 14- bis 49-Jährigen waren es immerhin 3,47 Millionen. Das ist ein Viertel aller „Jugendlichen“, die an diesem Abend vorm Fernseher saßen. 25,5 Prozent in der Zielgruppe erreicht – davon möchte sich die FDP ein Scheibchen abschneiden. RTL 2 ist es dabei wohl völlig einerlei, aus welcher politischen Richtung ein Fürsprecher daherkommt – Hauptsache, es kommt endlich einer und adelt das gescholtene (aber eigentlich harmlose) Schmuddelprogramm.

Die FDP und RTL 2, Partei und Privatsender, ergänzen sich perfekt. Beiden kommt es nicht im Geringsten auf die Inhalte ihres Programms an – sind sie nur irgendwie oben dabei. STEFAN KUZMANY

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen