MITNEUEMPROGRAMM»WINDIMBLUT«

SCHWULEMÄNNERSTIMMEN  ■  DIE ROSACAVALIERE

Wer hätte es gedacht, aber das Orchester des Schwulenchors »RosaCavaliere« hat mit der uniformierten Berliner Polizeikapelle etwas gemein: In beiden Männerbünden spielt die Klarinettistin Friederike Krause. »Ganz phantastisch« findet sie die Zusammenarbeit mit den Homos, in der Polizeicombo gehe es dagegen »viel rauher zu und mehr unter der Gürtellinie«. Das Miteinander, meint Friederike, werde bei den RosaCavalieren viel mehr betont.

Doch die RosaCavaliere wären keine richtigen Schwulen, wenn sie sich nicht auch befehden würden; ihre Gründer haben sich vor einem Jahr vom ersten Berliner Schwulenchor MännerMinne abgespalten. Sie wollten berlinerischer und professioneller sein.

»Die Allüren anderer Chöre machen uns nervös, für die Tölpelei von diesen Amateuren sind wir zu präziös«, jubilieren die RosaCavaliere dann auch liebenswert arrogant in ihrem neuen Programm »Wind im Blut«, das heute abend im HdK-Gebäude Bundesallee zur Premiere ansteht.

Doch »Wind im Blut« besteht nicht nur aus Spitzen. Ein Grammophon wird auf der Bühne arrangiert, eine Schellackplatte aufgelegt und es sich im Saal gemütlich gemacht. Präsentiert werden Stücke der 20er und 30er Jahre, mit Musik u.a. von Helmut Käutner, Günther Neumann und Franz Grothe, mit Textvariationen auf der Grundlage von Gustav Gründgens, Fritzi Massari wie Robert Gilbert.

Weniger Musik und Texte, vielmehr die gekonnte Choreographie zeigt die schwulen Eigenheiten dieses Chors. Und die beschränken sich nicht nur auf den rosa Puschel am Frack. Keine Gelegenheit wird ausgelassen, zu zeigen, daß Männer sich küssen und berühren können. Erotisch der Tango von hinten, ironisch ihr Cancan, jedem Tuntenkabarett hält der Auftritt der Käseköniginnen von Ippendingen-Tüttelstädt (»wir sind doof, aber süß«) die Stange. Die vielen Ein- und Zweideutigkeiten beziehen das schwule Publikum in das Bühnengeschehen mit ein: »Wir«, singen die RosaCavaliere, »bleiben unter uns«.

Auch an anderen Punkten inszeniert der Chor sich selbst, vor allem beim Thema Ost/West. Acht der 27 »Männerstimmen aus GanzBerlin« kommen aus dem Ostteil der Stadt, darunter Thomas Pester, strenger künstlerischer Leiter, Pianist, Komponist und Dirigent in einer Person. Pester, der im Friedrichstadtpalast und an der Komischen Oper arbeitete, ließ komplizierte Tanzformationen einstudieren, obwohl die meisten Sänger auf wenig Erfahrungen in diesem Metier zurückgreifen können. Das insgesamt gelungene Arrangement läßt den einen oder anderen Fehltritt aber leicht entschuldigen.

Daß einem beim Zuschauen aber selbst die Tanzlust packt und man die eingängigen Melodien angetan mitsummt, ist der Verdienst des kleinen Orchesters »Blauer Engel«, dem neben Friederike Krause als zweite Frau die Saxophonistin Elisabeth Adam angehört. Beide stechen ebenso jedoch durch ihre künstlerische Leistung hervor: »Sie«, meinte ein RosaCavalier seinem Namen gerecht werdend, »bringen im neuen Programm sogar den Sturm ins Blut«. (Heute und morgen um 20 Uhr im HdK-Konzertsaal Bundesallee und am 30.4. um 20 Uhr im Prater Prenzlauer Berg) Micha Schulze

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