MIT WAFFENHÄNDLERN AUF DU UND DU: Von Pflugscharen keine Spur
■ Rußlands Rüstungsindustrie geht in Verkaufsoffensive
Moskau (taz/AFP) — Noch bis vor kurzem mußten die westlichen Geheimdienste ihre Spione aussenden, um hinter die Geheimnisse modernster sowjetischer Waffentechnologie zu kommen. Heute können die Besucher der Moskauer Luftfahrt- und Militärmesse alles unter die Lupe nehmen, was die russische Rüstungsproduktion zu bieten hat. Vom modernsten Panzer über die berühmte MiG-29 bis hin zur Raketenbatterie SA-10, dem Gegenstück zur US-amerikanischen Patriot gibt es alles im Angebot. Mit der viertägigen Schau auf der Moskauer Luftwaffenbasis Jukowsik geht der militärisch-industrielle Komplex Rußlands jetzt in die Verkaufsoffensive.
Daß sich mit Rüstungsgütern in allen Kriegsregionen und Krisenherden dieser Welt gutes Geld verdienen läßt, wissen die Russen längst. Schließlich hatte die sowjetische Rüstungsindustrie, weitgehend in russischen Besitz übergegangen, in früheren Zeiten ein Drittel der Devisenerlöse erwirtschaftet. Etwa die Hälfte des produzierenden Gewerbes stellt mit rund neun Millionen Beschäftigten nichts anderes als Waffen her. Kein Wunder, daß die Direktoren der Rüstungsbetriebe mit den Entmilitarisierungs- und Konversionsprogrammen der russischen Regierung wenig am Hut haben. Die Rüstungslobby hatte es auch geschickt verstanden, am Ruder zu bleiben und sich dem verordneten Schrumpfungsplan zu widersetzen. Nun soll der Rest des Komplexes mit Waffenexporten gerettet werden.
Noch etwas ungläubig bewegen sich Militärattachés und Rüstungsexperten aus dem Westen durch das Ausstellungsgelände. Das Verkaufsargument der russischen Anbieter: Die Technologie sei der amerikanischen mindestens gleichwertig, wenn nicht gar besser, die Waffensysteme zudem viel billiger. Ihm seien bereits die Kataloge ausgegangen, bedauert der Vertreter des Moskauer Unternehmens Spetstechnika, das gerade neuentwickelte Boden-Boden-Raketen anbietet. 60 Millionen Dollar soll eine Batterie der Boden-Luftabwehrrakete SA-10 kosten, das von der Rüstungsfirma Almaz angeboten wird. Ein weiterer Anziehungspunkt aller Militärs und Waffenhändler ist die MiG-29 des Herstellers Mikojan. Das hochmoderne Kampfflugzeug ist zum Stückpreis von rund 25 Millionen Dollar (36 Millionen Mark) zu haben. Und die Russen haben bereits einen neuen Abfangjäger, die MiG-31, entwickelt, den Mikojan in seiner Exportversion für 35 bis 40 Millionen Dollar anbietet. „Leider ist der Verkauf nicht immer einfach“, klagt ein Verantwortlicher des Flugzeugherstellers. „Es gibt sehr viel potentielle Kunden, doch müssen in dieser Branche ja immer vom Generalstab bis hin zur Regierung zu viele Leute mitreden.“ Ähnliche Klagen sind bei Suchoi zu hören. Das Unternehmen produziert in erster Linie Bomber wie die SU-27 oder die 53 Meter lange und 50 Meter breite TU-142M, die speziell für den Kampf gegen Atom- U-Boote entwickelt wurde. Skrupel plagen die russischen Rüstungslobbyisten ohnehin nicht: „Ich pfeife auf die Geopolitik“, hatte Industrieminister Alexander Titkin im Frühjahr erklärt, „solange unsere Leute hungrig und ohne Löhne herumsitzen.“ Erwin Single
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