MIT HUGO BOSS AUF DU UND DU: „Wir verkaufen Zeitgeist“
■ Der Skandal in Tokio und die noble Firma aus Metzingen
Frankfurt/Main (taz) — In der verschachtelten Welt der Wirtschaft werfen Skandale weit im Osten ihre Schlagschatten bis tief in die Provinzen des Westens — und umgekehrt. Im Fall Akagi/Japan (siehe nebenstehenden Bericht) traf dieser Schlagschatten den Marktflecken Metzingen in der baden- württembergischen Provinz, Standort der Hugo Boss AG. Seit Dezember 1989 nämlich gehören Akagi 62,88 Prozent des renommierten Herrenausstatters mit den Exklusivpreisen — die von denen, die in ihrer Firma oder Familie gerne der Boß wären, bereitwillig schon für ein Sweat-Shirt oder einen Pullover mit dem Boss-Aufdruck bezahlt werden. Boss-Motto und Image: „Wir machen Arbeitskleidung für Manager.“
Die Hugo Boss AG in Metzingen trägt den Namen ihres Firmengründers, des Großvaters der Brüder Jochen und Uwe Holy, die das Haus bis 1989 regierten. Ihnen werden in den nächsten Monaten und Jahren die Splitter all jener Sprengsätze um die Ohren fliegen, die ihr neuer Mehrheitsaktionär Akagi offenbar weltweit gelegt hat. Die Firma wird im Gespräch bleiben. Der Boß hinter Gittern, der Betrieb derzeit faktisch in Selbstverwaltung — da wird kaum noch ein Banker mit dem Boss-Sakko hinter dem Schalter stehen oder im Boss-Polo- Hemd auf dem Tennisplatz seinem Großkunden einen knackigen Aufschlag servieren wollen.
Die Brüder Holy haben denn auch prompt reagiert: Die den Schwaben verbliebenen 14,6 Prozent des Stammkapitals der Aktiengesellschaft sollen bis spätestens 1994 verkauft werden. Die Option auf das Paket hat allerdings ausgerechnet Akagi, der derzeit seine Geschäfte hinter schwedischen Gardinen abwickelt. Der Rest der Anteilscheine, die einmal als Börsenrenner gehandelt wurden, ist breit gestreut — sozusagen als maßgeschneiderte Mode-Aktie für den braungebrannten Yuppie, der mit dem Textilienkauf auch noch seine Dividende sichert.
Jochen Holy, Träger der Goldmedaille des Internationalen Wollsekretariats und passionierter Golfspieler, gehörte zusammen mit seinem Bruder zu den höchstbezahlten Vorstandsmitgliedern der Republik. Mehr als 1,6 Millionen Mark strichen die Brüder alleine 1989 ein. „Wir verkaufen Zeitgeist“, meinte Holy. Und mit diesem Konzept puschten die Herrenausstatter ihren Konzern von einem Jahresumsatz von 3,5 Millionen Ende der 70er Jahre auf 922 Millionen Mark im letzten Jahr hoch.
Weil selbst der überzeugte Boß eine Frau an seiner Seite hat, haben sich die Holys auch den Damenoberbekleidungshersteller Windsor in den Konzern geholt. Anfang 1989 übernahm die Boss-Gruppe dann noch den alteingesessenen Bekleidungshersteller Joseph and Fleiss in Cleveland (USA), bevor sie ihrerseits für mehr als eine halbe Milliarde D-Mark von Akagi übernommen wurde.
Die sensible Börse wird jedenfalls auf den Akagi-Skandal reagieren, der seit dem Wochenende die gesamte Unternehmensgruppe erschüttert. Gegenüber der Freitagsnotierung war der Kurs der Boss- Aktien an der Frankfurter Börse leicht gefallen (4 DM). Anzunehmen, daß einige jetzt die „Zeitgeist- Aktien“ aus Metzingen so schnell verkaufen, wie ihnen Boss den „Zeitgeist“ gewebt und gestrickt hat. Da wird sich das Krokodil von Lacoste aber freuen. Klaus-Peter Klingelschmitt
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