MIT DEN SOZIALPARTNERN AUF DU UND DU: Marktpreis der Arbeit
■ Trotz Inflation bleibt der CSFR-Mindestlohn, wie er ist
Prag (taz) — In der Tschechoslowakei wird es vorerst keine Anpassung des Minimallohnes an die steigenden Lebenshaltungskosten geben. Dies beschlossen Vertreter der Regierungen, der Arbeitgeber und der Gewerkschaften nach mehrmaligen Verhandlungen. Nicht eingehalten werden somit die Bestimmungen des erst im Januar 1991 verabschiedeten „Generalvertrages“, nach denen eine Erhöhung der minimalen Arbeitsvergütung von 2.000 auf 2.650 Kronen notwendig gewesen wären. In den ersten drei Monaten des Jahres lag die Inflationsrate in der CSFR bei fast 50 Prozent.
Bereits bei der Erarbeitung des Generalvertrages war es zwischen den drei „Sozialpartnern“ über die Einführung eines Minimallohnes zu harten Auseinandersetzungen gekommen. Regierungsnahe Wirtschaftswissenschaftler vertraten die Ansicht, daß der Preis der Arbeit — ebenso wie für alle anderen Waren — auf dem freien Markt ermittelt werden müsse. Die Festsetzung eines Minimallohnes schade den ArbeitnehmerInnen mehr, als daß er ihnen nütze: Da die Firmen, die sich wegen des rapiden Umsatzrückganges in Zahlungsschwierigkeiten befinden, diese Löhne nicht zahlen könnten, müßten sie Arbeitskräfte entlassen.
Während auch die überwiegende Mehrheit der Medien den Minimallohn als „Angriff auf die Marktwirtschaft“ verurteilte, sprachen sich 57 Prozent der TschechInnen in einer Meinungsumfrage für seine Einführung aus, 35 Prozent lehnten sie ab. Doch selbst die Gewerkschaften forderten nicht kompromißlos eine Lohnanpassung. Bereits vor Beginn der Verhandlungen waren sie bereit, sich mit einer geringeren Aufstockung um lediglich 400 Kronen zufrieden zu geben. Am Ende waren sie froh, daß es nicht zu einer Verringerung auf 1.600 Kronen gekommen war.
Diese war von den Arbeitgebern mit der Begründung der wachsenden Arbeitslosigkeit angestrebt worden. Die Vertreter der Gewerkschaften hatten dagegen darauf hingewiesen, daß der Staatshaushalt im ersten Vierteljahr einen Überschuß von 13 Milliarden Kronen aufweise. Diese Gelder sollten zur Aufstockung der Löhne und nicht — wie von Finanzminister Klaus vorgesehen — zur Senkung der Umsatzsteuer verwendet werden. Sabine Herre
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