MIT DEN GASKRIEGERN AUF DU UND DU: Wer erobert den Osten?
■ Westdeutsche Großkonzerne umkämpfen die Ex-DDR
Essen (dpa/taz) — Um den Gasmarkt in der Ex-DDR ist ein harter Machtkampf zwischen den Westkonzernen BASF und Ruhrgas entbrannt. Das machte in diesen Tagen eine Mitteilung der ostdeutschen Ferngasgesellschaft Verbundnetz Gas AG (VNG) deutlich, an der die Essener Ruhrgas beteiligt ist. Die VNG beschwerte sich über die BASF-Enkelin Wintershall Erdgas Handelshaus (WIEH). Die WIEH wolle der VNG den Hahn für sowjetisches Erdgas zudrehen, falls diese nicht bereit sei, dafür höhere Preise als die im Westen üblichen zu zahlen.
Der als lukrativ geltende Gasmarkt in der Ex-DDR ist seit langem heftig umstritten. Fachleute rechnen dort mit einem Verbrauchsanstieg von derzeit etwa 9,5 Milliarden Kubikmetern auf über 20 Milliarden im Jahr 2000. Die Essener Ruhrgas AG, die in Westdeutschland etwa 70 Prozent Marktanteil hat, beteiligte sich frühzeitig mit 35 Prozent an dem ostdeutschen Gasmonopolisten VNG; weitere zehn Prozent übernahm ihr Aktionär BEB — was man bei der BASF-Tochter Wintershall zähneknirschend registrierte.
Um doch noch in den Gasmarkt des Ostens einzusteigen, gründete Wintershall in der Ex-DDR die WIEH — zusammen mit der sowjetischen Erdgasgesellschaft Gasprom (50:50) und sicherte sich so die Kontrolle über das Erdgas, das aus der UdSSR nach Ostdeutschland fließt.
Die Gasversorgung der neuen Bundesländer ist zur Zeit noch weitgehend von Sowjetlieferungen abhängig. 1991 werden nach Auskunft von Experten etwa sechs Milliarden Kubikmeter Erdgas aus der UdSSR benötigt, von denen rund 4,5 Milliarden über die WIEH kommen müßten. Die WIEH aber bezieht das sowjetische Gas offenbar zu höheren Preisen als der Westen aufgrund älterer Verträge. Demzufolge verlangt sie auch von der VNG einen „Aufschlag“, der — wie es heißt — zunächst bei 30 Prozent lag und jetzt noch etwa 20 Prozent betragen soll.
Die VNG müßte nach Expertenrechnung rund 150 Millionen DM jährlich fürs Gas zahlen. Weil aber die VNG bisher nach eigenen Angaben nur Westpreise gezahlt hat, müssen bei der WIEH, die bislang trotzdem getreulich geliefert hat, erhebliche Verluste aufgelaufen sein. Dies dürfte der Grund für das jetzt ausgesprochene Ultimatum sein. Wie es weitergeht, ist offen. Immerhin sind mit dem Preiskrieg auch schon Gerichte und das Bundeskartellamt befaßt. Künftig werden die neuen Bundesländer, je nach Fortschritt der Leitungsbauten, auch aus anderen Quellen mit dem benötigten Erdgas versorgt.
Der Hintergrund der Auseinandersetzung ist wohl in der alten Bundesrepublik zu suchen: Weil ihnen das von Ruhrgas gelieferte Erdgas zu teuer war, hatten BASF und Wintershall 1989 den Bau einer eigenen Erdgasleitung von Emden nach Ludwigshafen angekündigt, die bis 1994 fertiggestellt sein soll und aus der auch andere Abnehmer versorgt werden könnten. Offensichtlich handelt sich also um einen Machtkampf zweier Großkonzerne, der in den neuen Bundesländern fortgesetzt wird.
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