MIT DEM HAUSHALTSLOCH AUF DU UND DU: Kassensturz für Waigel
■ Ifo-Institut rechnet bis 2000 mit 2,5 Billionen DM
München (dpa/taz) — Den „Kassensturz“, den die SPD von der Bundesregierung fordert, hat jetzt das Münchner Ifo-Institut für Wirtschaftsforschung aus den veröffentlichten Zahlen des Bundesfinanzministeriums errechnet. Bis Ende 1995 werde das Loch in den öffentlichen Haushalten um 70 Prozent auf zwei Billionen DM steigen. Bis zum Jahr 2000 werden die Schulden von Bund, Ländern und Gemeinden auf über 2,5 Billionen DM klettern, so das Szenario der Wissenschaftler.
Den starken Anstieg begründen die Forscher damit, daß die ostdeutschen Schulden wegen der Nebenhaushalte noch nicht in den normalen Haushalten voll erfaßt sind. Sie werden aber in den kommenden Jahren aufgelöst und die Schulden dann voll sichtbar.
Das Ifo-Institut verweist als Ausgangsbasis auf eine jüngst veröffentlichte Verschuldungs-Projektion des Bundesfinanzministeriums. Danach werden die Schulden des Staates einschließlich der Nebenhaushalte Fonds Deutsche Einheit, ERP-Sondervermögen, Kreditabwicklungsfonds, Bahn, Post, Treuhandanstalt und staatlicher Wohnungssektor Ost bis Ende 1995 auf 2,26 Billionen DM steigen, bei 176 Milliarden DM Zinszahlungen.
Der mittelfristigen Prognose aus dem Hause Waigel, nach der das Staatsdefizit bis 1995 auf 90 Milliarden DM sinkt, folgen die Wissenschaftler jedoch nicht. Nach ihrer Rechnung geht das jährliche Staatsdefizit von 130 Milliarden DM 1991 oder 4,7 Prozent des Bruttosozialproduktes auf 115 Milliarden DM oder 3,2 Prozent im Jahre 1995 und auf 95 Milliarden DM (zwei Prozent) im Jahr 2000 zurück. Der gesamte Schuldenberg der öffentlichen Haushalte lag 1989 bei rund 929 Milliarden DM. Ende 1991 belief sich das Staatsdefizit einschließlich der neuen Bundesländer, aber ohne Treuhandanstalt, auf etwa 1.170 Milliarden DM.
Das Ifo-Szenario macht zudem auf zahlreiche Haushaltsrisiken für den Bund aufmerksam. So sei mit einem Bundesverfassungsgerichts- Urteil zu rechnen, nach dem der Grundfreibetrag bei der Einkommensteuer erhöht werden müsse. Allein bei der Treuhandanstalt sei bis Ende 1994 mit insgesamt 250 Milliarden DM Schulden zu rechnen, die der Bund übernehmen müsse.
„Eine Überbelastung der Volkswirtschaft in dem Sinne, daß — ähnlich wie in den Vereinigten Staaten — das Staatsdefizit letztlich über hohe Nettokapitalimporte finanziert werden muß, zeichnet sich bei diesem Szenario nicht ab“, beruhigen die Forscher abschließend. Unterstellt werde allerdings eine mittelfristig günstige Wirtschaftsentwicklung und ein finanzpolitischer Konsolidierungskurs, dem es gelinge, die Staatsausgabenquote wieder zu senken. dri
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen