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MELANCHOLIE IM OSTEN

■ Georgische Künstler im Körnerpark Neukölln

Niko Pirosami... mehr fiel mir bisher zur bildenden Kunst Georgiens nicht ein, und das ist ungefähr so gut, als würde man die Malerei Frankreichs mit Henri Rousseau enden lassen. Eine kleine Ahnung davon, daß der Pluralismus expressionistischer und akstrakter Stile auch dort längst den Hang zum Folkloristischen und Naiven überwunden hat, vermittelt eine Ausstellung des Kunstamtes Neukölln.

Immer noch gültig bleibt zwar ein Bilderbuch-Georgien mit ländlichen Idyllen, weißbärtigen Bäuerchen und Ochsen (Waschakidze Gali). Festgehalten wird auch an der Illustration epischer Stoffe, die einen von der historischen Entwicklung scheinbar unberührbaren Kosmos bergen: sanfte Frauengestalten mit träumenden Gesichtern und behutsamen Händen von Elena Pirscholaschwili rufen eine märchenhafte Stimmung wach. Hirsche, deren Geweih sich weit verästelt, Stiere, aus deren Rücken ein Baum wächst, und in kleine Medaillons eingeschlossene menschliche Portraits werden in der Radierung „Märchen“ mit einem organischen Rankenwerk verknüpft. Lomatadze Lali Reazowna bezeugt darin das Vertrauen in die poetische Kraft einfacher Symbole und stilistischer Archaik.

Mit einem sensiblen Gespür für die Intensität ihrer zeichnerischen und malerischen Mittel nähern sich Papinaschwili Dzamsurowa und Tschagelischwili Anzor einer westlichen abstrakten Kunst an. Doch plötzlich entdeckt man in den hellen, fast leeren Flecken, die in Papinaschwilis Radierung in expressivem Gegensatz zu den energiegeladenen Ballungen von Strichen stehen, Engelsfiguren. Konkretion mit Abstraktion verbindet auch Tschagelischwili in einer Regenbogen-Collage: In ein grau-rosa Farbmeer von zarter und nebliger Atmosphäre klebt er ein kleines Stückchen Papier mit einem aquarellierten Regenbogen. Dieser Fetzen, in dem der Regenbogen als traditionelles Symbol für eine Kunst, die das Leben widerspiegelt, noch einmal aufscheint, treibt als verlorenes Fragment in dem melancholischen Meer, dessen Realität nur noch der Farbe selbst geschuldet ist.

Schattierungen von Weiß hat Bugadze Georgij in seiner „Komposition I“ über einen bläulich durchschimmernden Grund gelegt. Unter der kalten, von feinen Rissen durchzogenen Oberfläche scheint sich etwas vorzubereiten und in Bewegung zu geraten. Bugadze läßt elementare Energien in der bloßen gestaltlosen Farbe erleben.

Von einer Ausstellung, in der 16 Maler, Grafiker und Bildhauer sich mit zwei oder drei Arbeiten vorstellen können, über die Kunst eines Landes zu urteilen wäre vermessen. Vielleicht ließe sich das Einbringen von lyrischen, symbolischen, archaisierenden und narrativen Elementen in abstrakte und reduzierte Formen der Kunst als georgische Tendenz ausmachen; vielleicht ist es aber auch nur unser Wunschdenken, in jedem georgischen Kunstprodukt nach einem Abglanz des Paradieses zu suchen.

Katrin Bettina Müller

Georgische Künstler im Körnerpark bis zum 16. Juni.

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