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Lyubomir Nikolov: Herbeigerufen von der Flut

Lyubomir Nikolov

Herbeigerufen von der Flut

Wenn sich Glocken auf die Zunge beißen und schweigen

und unser salziges Fleisch sich auflöst in Zeit

werden wir, durch Tränen hindurch und überwachsen

von Flechten und Mohn

am Abend die alten Straßen entlangziehen.

Wenn vom Mitternachtsturm die Tore aufgerissen sind

werden wir vorwärts kriechen, voll Bosheit, unter Klagen,

und uns ausstrecken im warmen Bauch des Chaos,

im Baumsaft, im Stöhnen der Felsen.

Mögen auch Donner rollen und uns die Braue brechen

Und Lawinen uns in ihre Mäntel hüllen,

wir schlüpfen aus der Schale, wie zufällig

herbeigerufen von der Flut, und werden hier niederknien.

Denn die Tage des Meeres sind unsere zukünftige Zeit

und der wogende Schaum ist unser zerbrechlicher Rest.

Bemooste Kreuze ragen in Reih und Glied —

dieses brackige Wasser bietet uns keinen Schutz!

Der bulgarische Lyriker Lyubomir Nikolov ist Redakteur der Literaturzeitschrift 'Literary Forum‘ und lebt in Sofia

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