: Luxushotel
■ Schlechte Zeiten für Kranke
Die Koalitionseinigung vom Wochenende zum Gesundheitsreformgesetz ist nur auf den ersten Blick ein tragfähiger Kompromiß. Die Elemente, aus denen er zusammengesetzt, lassen sich langfristig nicht harmonisieren. Während die Festbetragsregelung immerhin theoretisch Element einer Ausgabenreduzierungspolitik sein kann, weil die Möglichkeit besteht, daß durch sie die Arzneimittelpreise in der Bundesrepublik langfristig zu senken sind, zielen die gleichzeitig beschlossene prozentuale Selbstbeteiligung und das Kostenerstattungsprinzip nur auf eine Verschiebung der Kosten hin zu den Kranken. Das führt letztlich zu einer gänzlichen Abschaffung des ohnehin schon brüchigen Solidarprinzips in der Krankenversicherung. Die Rhetorik allerdings, mit der Bundessozialminister Norbert Blüm die neuen Eckwerte seines Gesundheitsreform–Gesetzes angekündigt hat, seine Attacke gegen „ausufernde Gesundheitswünsche“ und die angebliche „medizinische Überversorgung“ in der Bundesrepublik zeigen, in welche Richtung die Dinge entwickelt werden: Kollektiv organisiert wird nur noch eine Basisversorgung, das Gesundheitssystem insgesamt aber wird zusehends privatisiert. Auch die Neuregelung der Pflegefinanzierung, mit der sich Blüm brüstet, liegt auf dieser Linie der kollektiven Minimalabsicherung bei gleichzeitiger Privatisierung der großen Belastungen. Der unhaltbare Zustand, daß Angehörige Schwerpflegebedürftiger sich gezwungen sehen, die Pflege völlig auf sich allein gestellt zu leisten, wird geringfügig verbessert - und damit auf Dauer haltbar gemacht. Die Situation der Pflegebedürftigen und ihrer Angehörigen ist im Grundsatz unverändert - während die Bundesregierung immerhin auf Aktivitäten verweisen kann. Das Haus der Gesundheit, das Blüm konstruiert, erweist sich als Luxushotel: Der Zimmerpreis ist fast unbezahlbar, und selbst der Aufenthalt im Foyer kostet Eintritt. Oliver Tolmein
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