: Luxus-Isetta
Im Duft von verbleitem Benzin die Zukunft riechen: In Cernobbio am Comer See fand der Classic Car Event Concorso d’Eleganza Villa d’Este statt
VON BRIGITTE WERNEBURG
„Dös is net olt, dös is vintitsch“: In unverkennbar österreichischem Idiom herangeweht, war das der Schlüsselsatz zu einem Bildungserlebnis der ganz anderen Art. Jedenfalls für jemanden wie mich. Denn ich fahre zwar ein uraltes Auto, doch der schöne, schmeichelhafte Begriff des Vintage Car war mir bislang fremd. Ob ich es jemals wagen werde, ihn auf mein kleines lustiges rotes Auto französischer Herkunft anzuwenden, das fünf Liter Diesel auf 100 Kilometer verbraucht, möchte ich bezweifeln. Vintage Cars – obwohl nicht identisch mit Oldtimer – zeichnen sich doch meistenteils durch ihre enormen Ausmaße und wenigstens den zehnfachen Spritverbrauch aus, wie jetzt beim 76. Concorso d’Eleganza Villa d’Este in Como zu beobachten war.
Der Concorso ist ein Traditionsunternehmen, das erstmals 1929 stattfand, zu einer Zeit, in der es Vintage Cars eigentlich noch gar nicht gab. Aber damals ging es dem Grand Hotel Villa d’Este auch mehr darum, seinen Gästen eine Plattform zu bieten, auf der sie ihre schönen und durchaus aktuellen Autos samt der aktuellen Mode der Saison vorführen konnten. Aus dieser Kombination von Mode und Auto rührt auch die Eleganz im Namen des Events her. Der Zweite Weltkrieg sorgte dann für eine Unterbrechung, die Nachkriegszeit für den scheinbar endgültigen Garaus der Veranstaltung 1949 – bis sie 1986 wieder ins Leben gerufen wurde. Inzwischen gab es ja jede Menge Vintage Cars. Und deren Sammler und Liebhaber wollten die auch gerne mal herzeigen. 1999 stieg BMW als Sponsor und Mitveranstalter ein, und seither werden neben den alten Raritäten auch neue Entwürfe, so genannte Concept Cars, gezeigt. Seit drei Jahren findet zudem der „BMW Group Design Talk Villa Erba“ statt.
Moderiert von Carl G. Magnusson, dem – ach, diese wunderbaren amerikanischen Funktionsbeschreibungen, die immer so sehr an die k. u. k. Hierarchien erinnern – Executive Vice President von Knoll Design in New York, diskutierten dieses Jahr der Designer Konstantin Grcic, der BMW-Chefdesigner Adrian van Hooydonk, der Direktor der Kantonalen Kunsthochschule Lausanne, Pierre Keller, sowie Lorenzo Ramaciotti von der Karosserieschmiede Pininfarina und schließlich Paul Warwick Thompson, Direktor des Cooper-Hewitt National Design Museum, New York, über das Design der 50er-Jahre. Sensationell Neues kam dabei natürlich nicht zur Sprache, aber bedenkenswert war etwa die Feststellung, dass Design in den 50er-Jahren erst- und zugleich letztmals als nationale Angelegenheit vermarktet wurde. Man kaufte finnische Möbel und war scharf auf italienisches Autodesign. Und dabei gab es etwa bei den italienischen Produzenten, wie Lorenzo Ramaciotti sagte, selbst gar kein rechtes Bewusstsein eines besonderen regionalen oder nationalen Charakters ihrer Formensprache. Jeder werkelte in seiner Klitsche an seinem Ding herum, aber das mit großer Begeisterung und in großer Freiheit, mit Optimismus statt Marketing. Letztlich waren es damals die großen internationalen Museums-Ausstellungen zu Design, die die Hersteller vernetzten und ein solches Bewusstsein schufen.
Den entscheidenden Bruch bedeuteten die 50er-Jahre in Europa dennoch: Das Design für ein zuvor in kleinen Stückzahlen gebautes Auto musste nun für eine Millionenauflage taugen. So waren Autos zuvor nie gebaut worden, was die automobilen Schönheiten draußen beglaubigten. Die mächtigen Karossen mit Platz für Chauffeur und Ehepaar mit mindestens acht Kindern erinnerten denn auch mehr an Kutschen, die statt von Pferden von Pferdestärken bewegt wurden. So gesehen ist ein Siebener-BMW von heute, obwohl er so ausschaut, als ob er die nahtlose Fortsetzung des Maybach-, Düsenberg- und Rolls-Royce-Konzepts sei, tatsächlich eher die Fortentwicklung der Isetta zum Luxusmodell.
Die anschließende Parade der Vintage Cars stimmte zwangsläufig nostalgisch. Denn plötzlich roch es nach verbleitem Benzin, und es wurde einem bewusst: Ja, es gab einmal Zeiten, als nur wenige Leute Auto fuhren, die noch röhren und schwarze Schwaden hinterlassen durften. Es gab einmal Zeiten, als nur wenige Leute rauchten, das durften sie dann auch überall tun, und mussten sich nicht in Regen und Kälte wie die Hunde vor die Villa Erba Antica schleichen, um ihrem Laster zu frönen. Und es gab einmal Zeiten, da durfte man noch Butter essen, ohne dafür einen Waffenschein zu haben – berechtigt für erhöhten Cholesterinspiegel. Denn bitte schön, falls denn wahr sein sollte, was immer behauptet wird, dass nämlich die jeweilige Moderne immer aus Italien kommt, dann muss es zu denken geben, dass einem heute in der ersten Klasse von Alitalia die Butter vom Brot genommen wird. Wirklich, man muss den Käse, den Parmaschinken oder die Lachsscheibe aufs trockne Brot legen! Gibt es womöglich irgendwo so etwas wie ein Vintage-Leben? Das möcht ich dann bitte gerne haben!