Luigi Controletti braucht selbst Kontrolle

Personalienüberprüfung von Schwarzfahrern geht ganz leicht: Die Straßenbahn-Kontrolleure des Bremer Service Teams rufen bei der Polizei an – wo viele Beamte drauflos plaudern. Ohne Passworte oder andere Vorgaben zum Datenschutz zu beachten

„Sowas wäre ein klarer Verstoß gegen das Datenschutzgesetz“

Bremen taz ■ Es ist erschreckend einfach, an persönliche Daten heranzukommen, etwa an die neue Anschrift eines Ex-Freundes, Mieters oder auch an das Geburtsdatum der neuen Mitarbeiterin. Ein Anruf bei der Bremer Polizei als Straßenbahn-Kontrolleur „Luigi Controletti“ genügt. „Guten Tag, Bremer Service Team, ich brauche da mal eine Personalienüberprüfung“, lautet der Zaubersatz und sofort öffnet sich der Zugang zum Melderegister. Straße, Hausnummer, Geburtsort des vermeintlichen Schwarzfahrers – der sich angeblich nicht ausweisen kann oder will – werden verraten. Bei allen drei taz-Testanrufen in Bremer Polizeiwachen gaben die Beamten bereitwillig Auskunft, ohne das datenschutztechnisch vorgesehene Passwort oder eine Personalnummer abzufragen. Auch private Handy-Anrufer werden offensichtlich nicht kritisch überprüft. Ein Polizist bot zwar an, eine Streife zu schicken, ließ sich dann aber in Windeseile davon überzeugen, dass das nicht notwendig sei. Und rückte dann gleich mit der Anschrift raus: „Der wohnt nicht Hausnummer X, sondern Nummer Y.“

Sowas wäre ein klarer Verstoß gegen das Datenschutzgesetz, sagt der Landesdatenschutzbeauftragte. „Da kann ja jeder kommen und nach allem Möglichen fragen.“ Besonders heikel werde es, wenn Auskünfte über frühere Schwarzfahrten gegeben werden. Aber schon allein die telefonische Bestätigung einer Anschrift sei rechtswidrig, so Datenschutz-Mitarbeiter Harald Stelljes. Wer ein begründetes Interesse an solchen Informationen habe, der müsse persönlich vorsprechen und bekomme dann die gewünschte Auskunft aus dem Melderegister. Doch diese Mühe muss man sich in Bremen nicht machen.

Dabei hatte das Büro des Landesdatenschützers sich von der Bremer Straßenbahn AG (BSAG) zusichern lassen, es werde sich zwischen den Kontrolleuren und der Polizei um eine „gesicherte Kommunikation“ handeln, die vor allem dem Zweck dienen sollte, möglichst wenig Zeit zu verlieren. „Es ist ja auch im Sinne der Kunden, dass sie nicht weiter aufgehalten werden und ein Polizeiauto vorfährt“, so Stelljes. Doch einige Kunden hat dieser „Service“ so irritiert, dass sie sich an die Presse gewendet haben.

Von dem fixen Anruf zwischendurch profitiert vor allem das Bremer Service Team (BST), die Firma, die im Auftrag der BSAG seit dreieinhalb Jahren die Kontrollen durchführt. Das Ziel, dabei möglichst viele Schwarzfahrer zu erwischen, soll sogar vertraglich festgehalten sein: Genannt werden Zielzahlen um die 30.000 Fälle pro Jahr. Georg Drechsler, Chef der BSAG, die gemeinsam mit dem Sicherheitsunternehmen Elko die BST GmbH gegründet hat, ist zufrieden mit dem Deal. „Es wird seitdem mehr kontrolliert“, sagt Drechsler. Auch eine Ausweitung der Aufgaben für die BST-Mitarbeiter schließt er nicht aus. Bisher sorgt BST nicht nur für die Kontrollen, sondern auch für Auskunfts-Dienste und die Sicherheit – ein hauseigenes Spezialgebiet von Elko. In Zukunft wird BST möglicherweise auch regelmäßige Fahrdienste übernehmen. „Es kann sein, dass die sich noch in weiteren Feldern engagieren“, bestätigt Drechsler, der wiederum vom Bremer Verkehrssenator unter Druck gesetzt wird, weitere Betriebsbereiche wie den Busverkehr auszugliedern, um auf diese Weise die hohen Personalkosten zu senken.

Das Modell „Luigi Controletti“, mit dem die BSAG auf Plakaten für die Umsetzung dieser Strategie wirbt, will jetzt allerdings erst einmal der Datenschutzbeauftragte überprüfen. Eiken Bruhn