■ Querspalte: Lucy im Bundestag
„Eventuell von Chanel“ sollen die golden glänzenden Blusenknöpfe wohl suggerieren. Allein, die bommerigen Brocken sind für diese Botschaft viel zu schwer, lassen traurig die Köpfe hängen und betonen damit einmal mehr die Hemdsärmeligkeit ihrer Trägerin. Ingrid Matthäus-Maier tritt auch diese Woche im Bundestag wieder als fleischgewordene Peanuts-Lucy auf, die, besser wissend und Recht habend, ihren Lieblingstöffel Charlie Theo Brown Waigel maßregelt, bis die Schwarte kracht.
Doch „Onkel Theo“ (Joschka Fischer gestern im Bundestag) ist von stoischem Naturell, und deshalb kratzt ihn sein Losertum auch dann wenig, wenn es ihm von der bundesdeutschen first lady in Sachen Finanzpolitik zum zweitausendsten Mal vorgebetmühlt wird. Er hat sich eben, wie alle anderen auch, an die spitzen, empörten Aufschreie der stellvertretenden SPD-Fraktionsvorsitzenden gewöhnt. Wer will ihm das ernsthaft verübeln?
Denn die Logik der beurlaubten Verwaltungsrichterin kommt auch für ausgesprochene Waigel-Hasser wegen penetranter Selbstgerechtigkeit und Dauerfrustriertheit so schlecht wie ihre humorlose Dauer-Demo gegen Wickler und Wellen. Sicher, Flugbenzin muß nicht subventioniert werden, und „Verteidigung“, bemannte Raumfahrt und Nuklearforschung müssen nicht Milliarden Deutschmark kosten.
Aber warum muß uns die seit Montag 51jährige Finanzexpertin immer gleich mit beweisen, wie richtig ihre Berechnungen schon immer waren und wie unfähig alle anderen, zum Beispiel die Bündisgrünen, sind, die zwar nicht gerade von ihr abgeschrieben, aber doch den größten Teil ihres Finanzwissens von ihr „übernommen“ hätten?
Wie bemerkte doch gleich Dr. Green in der letzten Folge der US-Serie „Emergency Room“ ganz richtig zu Dr. Benton, der einem ahnungslosen Patienten den Kunstfehler eines Kollegen steckte? Es ist immer leicht, Kritik zu üben, wenn es nicht um die eigene Karriere geht.
Claudia Thomsen
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