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Lucic bleiben noch vier Matchbälle

■ Nach dem 74:102 gegen Rußland ist die EM-Qualifikation der defensivschwachen deutschen Basketballer in Gefahr

Hamburg (taz) – Als Stephen Arigbabu eineinhalb Minuten vor der Schlußsirene durch die Bande knallte, war das EM-Qualifikationsspiel der deutschen Basketballer gegen die russische Nationalmannschaft längst entschieden. Arigbabu (24), Center aus Berlin, spielte zwar unverletzt weiter, an Werbeträger und Rückstand des deutschen Teams war zu diesem Zeitpunkt jedoch kaum noch etwas zu kitten. Am Ende hieß es 74:102, und derart neuer jugendlicher Überschwang, vorab als eine Art Geheimwaffe der DBB- Equipe gepriesen, hatte nur eine untergeordnete Rolle gespielt. Frischlinge wie Marco Pesic, Jörg Lütcke oder Arigbabu durften nämlich erst mitmischen, nachdem die Routiniers ermüdet waren.

Die Ermattung von Christian Welp und Co. hatte kurz nach dem Wechsel eingesetzt. „Wenn innerhalb von drei Minuten ein Zweipunktevorsprung nur durch Distanzwürfe in einen Rückstand von zehn Punkten verwandelt wird, ist klar, daß es in der Defensive nicht gestimmt hat“, analysierte Kapitän Michael Koch die spielentscheidende Phase. Schlecht gelaunt saugte Koch (30) dabei an einer kleinen Pulle Mineralwasser: Er selbst hatte keinen seiner sechs Distanzwürfe im Korb versenkt.

Probleme hatte die deutsche Abwehr besonders mit Sergej Babkow (Unicaja Malaga). Der erzielte allein in der zweiten Hälfte 22 Punkte und erinnerte in Hamburg daran, daß Basketball nicht nur mit Schweiß und Gerangel, sondern auch mit Akrobatik und elegantem Posing zu tun hat. Überhaupt Hamburg – warum nicht gleich Zürich oder Brighton? Die Idee, ein EM-Qualifikationsspiel an der Alster auszutragen, war ungefähr so pfiffig wie die, auf dem Titel des zum Match erschienenen „Amtlichen Organs des DBB“ Michael Jordan abzulichten.

Selbst während der ersten Hälfte, in der die Deutschen überraschend gut mithielten und insbesondere Christian Welp in seinem 100. Länderspiel einige Glanzpunkte setzte, kamen die 4.000 Banksitzer kaum in Wallung. Einige mickrige „Defense! Defense!“-Rufe und drei gequälte, nach würdelosem Betteln des Hallensprechers vollzogene La Olas – zu viel mehr ließ man sich in der norddeutschen Basketballprovinz nicht hinreißen.

„Neun von zehn russischen Spielern haben Verträge bei Spitzenteams in ganz Europa. Die Erfahrungen, die die sammeln, sind in der Bundesliga nicht zu machen“, bilanzierte Koch. Sein Trainer Vladislav Lucic gab sich sonniger und verkündete zur allgemeinen Überraschung, vom Spiel durchaus befriedigt worden zu sein. Nun ja, die EM-Qualifikation muß der immer noch Gruppenzweite nicht abschreiben. „Einen Matchball haben wir heute vergeben, vier weitere bleiben uns noch“, sagte Lucic. Beim Gruppendritten Lettland sollte man allerdings demnächst nicht verlieren. Claudia Thomsen

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