„Louise Brown“ griff an...

■ ... und nahm sich aus Solidarität mit der verurteilten Journalistin Ingrid Strobl vier „Objekte“ vor

Zur Jahreswende gingen Weser-Kurier und taz Bekennerinnen -Briefe zu. Darin teilten die Schreiberinnen mit, daß sie sich am 18. Dezember „anschlagsrelevanter Objekte angenommen“ hätten - „aus Anlaß der BKA-Razzien vom 18.12.87 und den Verhaftungen von Ingrid Strobel und Ulla Penselin“. Die Schreiberinnen erklären sich solidarisch „mit Ingrid, die sich öffentliche gegen die HERRschende Flüchtlingspolitik, gegen Sextourismus und Frauenhandelt stellt.“ Der Nachname der inhaftierten Journalistin und Österreicherin Ingrid Strobl ist allerdings falsch geschrieben.

Vier Bremer „anschlagsrelevanten Objekte“ sind in dem Schreiben aufgelistet: Das Ausländeramt, zwei Reisbüros und das Humangenetische Zentrum.

Original-Ton: „Wir haben das Ausländeramt in Bremen angegriffen. Die patriarchale imperialistische Wirtschafts und Bevölkerungspolitik findet ihren schärfsten Ausdruck in den weltweiten Flüchtlingsströmen, die seit Beginn der 80er Jahre auch in den Metropolen immer spürbarer und sichtbarer werden. Frauen sind die Hauptbetroffenen der trikontinentalen Flüchtlingsbewegungen... Wir haben zwei Reisebüros in Bremen angegriffen... Wir haben das Humangenetische Zentrum angegriffen...“ Unterzeichnet ist der Brief mit „Louise Brown“ - so heißt das weltweit erste Retortenbaby.

Der Leiter des Ausländeramtes, Trappmann, weiß allerdings nichts von dem „Angriff“ und erklärte gegenüber der taz: „Das hätte ich merken müssen.“ Weder

seien Scheiben zu Bruch gegangen, noch Farbbeutel geflogen oder Spraydosen betätigt worden. Der Leiter der Humangenetischen Beratungsstelle, Prof. Schloot, erinnert sich vage an einen Vorfall im Dezember: „Es ist da mal an irgendeinem Wochenende eine Scheibe eingeworfen worden.“ Dies ist auch der einzige Vorfall, den die Bremer Polizei registriert hat. Sie war erst durch das Bekennerschreiben aufmerksam geworden. Die Kripo ermittelt jetzt „gegen sozialrevolutionäre Tätergruppen“.

Eine Umfrage unter Reisebüros in der Innenstadt ergibt, daß sich dort im Dezember eine Aktion ereignet hatte, allerdings eine Woche vor dem Stichtag in dem Bekennerinnen-Schreiben. Eine Mitarbeiterin bei „Euro

Lloyd“: „An einem Samstag-Morgen waren fast alle Reisebüros demoliert“. Bei „Euro Lloyd“ war das Türschloß fachfraulich zugeklebt worden und mußte durch ein neues ersetzt werden. Bei „Hapag Lloyd“ hatte eine Reinigungsfirma drei Tage lang damit zu tun, Parolen gegen den „Sextourismus“ aus der Sandstein-Fassade zu entfernen.

Bei den Reisebüro-Mitarbeiterinnen ist die Aktion nicht gut angekommen. „Wir können uns unsere Kunden nicht aussuchen. Wir sind doch nicht dafür verantwortlich, was die Kunden im Reiseland machen“, entrüstet sich die eine. Das Thema „Sextourismus“ werde „aufgebauscht“, findet eine andere: „Da sollten sich diese Frauen besser mit anderen Problemen befassen oder vielleicht mit sich selbst.“

B.D.