■ Buchtip: Lotos auf Steinen
Der im Wasser schwimmende Lotos war den alten Indern Sinnbild für die im Weltmeer schwimmende Erdscheibe, also der ganzen bewohnten Welt. Daß diese wohlriechende Blume, die von Hinduisten und Buddhisten als heilige Pflanze verehrt wird, auch zu einem zentralen Symbol des islamischen Kulturkeises werden konnte, zeigt, wie weit über die arabische Welt hinaus die Lehre des Propheten verbreitet ist. Die Anthologie „Lotos auf Steinen“, die von Mitarbeitern des Hauses der Kulturen der Welt in Berlin zusammengestellt wurde, unternimmt das Wagnis, achtzehn äußerst unterschiedliche AutorInnen aus dem islamischen Kulturkreis zu präsentieren. Die Spannbreite reicht von Kasachstan und Pakistan bis in den Senegal und nach Nigeria, von Indonesien und Malaysia hin in die Türkei und nach Ägypten.
Einige der Texte handeln von Entwurzelung, von Deportation und Exil, so die metaphernreichen Gedichte des in Bangladesch geborenen Daud Haider, dessen Texte der Anthologie den Titel gaben. Daud Haider wurde 1974 wegen eines kritischen Gedichts über den Islam inhaftiert. Er lebt seit einigen Jahren in Deutschland, ebenso wie Said, der 1947 in Teheran geboren wurde und seit 1965 in München lebt. Said schreibt auf Deutsch. Sein Beitrag, das lange Poem „Brief an Europa“, ist besonders lesenswert. Es beschreibt die Hoffnungen und Enttäuschungen des Autors von Europa.
Die Anthologie zeichnet besonders aus, daß in ihr bedeutende Autorinnen zu Wort kommen. Beispielsweise die Ägypterin Alifa Rifaat oder Afrikanerinnen wie Aminata Sow Fall aus dem Senegal oder Zaynab Alkali aus Nigeria. Wie die AutorInnen mit Lebenslauf und Foto präsentiert werden, verdient eine besondere Erwähnung. Das Buch ist eine bibliophile Perle. Wolfgang Heyder
Beate-Ursula Endriss und Kurt Scharf (Hg.): „Lotos auf Steinen. Ein literarischer Streifzug durch die Islamische Welt“, Berlin, Das Arabische Buch, 25 DM
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