■ Lothar Späth hat Gerhard Schröder einiges voraus: System und Dummheit
Wer als Politiker nach dem 13. Januar 1991 um 15.45 Uhr noch unbefangen in ein Firmenflugzeug einsteigt und sein Ticket nicht selbst bezahlt, muß mit dem Klammerbeutel gepudert sein. Damals hatte Lothar Späth seinen Rücktritt als Baden-Württembergs Ministerpräsident erklärt, nachdem bekanntgeworden war, daß er sich von den Firmen SEL und Daimler-Benz kostenlos durch die Welt hatte fliegen lassen und private Einladungen zu gemeinsamen Ferienaufenthalten gerne und häufig angenommen hatte. Der Skandal wurde ruchbar. Späth mußte gehen.
Gerhard Schröder ist gepudert. Der niedersächsische Ministerpräsident fand offenbar nichts dabei, sich von VW-Chef Ferdinand Piäch zum Opernball nach Wien einladen zu lassen und wie selbstverständlich in dessen Privatjet mitzufliegen. Natürlich ist der Vergleich überzogen. Bei Späth hatte es System. Bei Schröder war es eher Dummheit. Dennoch klingen die beschwichtigenden Formeln aus den jeweiligen Staatskanzleien völlig identisch: Es habe sich doch lediglich um „private Einladungen“ gehandelt. Als ob das weniger wöge!
Jetzt will Schröder die Reisekosten zurückbezahlen. Sechs Tage vor seinem Rücktritt wollte Späth das auch. „Cleverle“ Lothar brachte es seinerzeit sogar fertig, „dienstlich“ nach Wien zu fliegen und sich die Reise „privat“ bezahlen zu lassen. Soweit ist Schröder noch nicht, denn daß er mit Piäch in der Ballpause über den „Standort Deutschland“ geredet habe, behauptet ja nicht einmal er. Schröder jedenfalls kann nicht hoffen, daß ihm seine Wähler ein solches Verhalten so schnell verzeihen wie die Menschen im Ländle ihrem ehemaligen Ministerpräsidenten heute noch. Späth gilt hier noch als der beliebteste Politiker, der es sich sogar erlauben kann, im jetzigen Wahlkampf für seine Auftritte Eintritt zu kassieren.
Schröder hat gegen die Moral verstoßen. Und so wird jetzt macher besser zu verstehen glauben, warum Schröder plötzlich von der Ökosteuer nichts mehr hören will. Private Einladungen können da oft Wunder wirken. So ein Piächsches Argument bei spendiertem Champagner soll ja bisweilen belebender wirken als hundert grüne Positionspapiere zusammen. Philipp Maußhardt
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