Lokfüher wollen ab Montag streiken: Politik drängt auf Verhandlung
Den angekündigten GDL-Streik hält Attac-Mitglied Geißler für "berechtigt", Bahnchef Mehdorn für "Irrsinn". Die Gewerkschaften sind uneins.
BERLIN taz/ap Nach der Ankündigung der Gewerkschaft der Lokomotivführer (GDL), ab Montag unbefristet zu streiken, hat Verkehrsminister Wolfgang Tiefensee (SPD) die Beteiligten aufgefordert, die Gespräche sofort wiederaufzunehmen. "Es müssen alle Möglichkeiten ausgelotet werden, zu einer tragfähigen Vereinbarung zu kommen", sagte Tiefensee. "Es hat bislang immer eine Einigung in letzter Minute gegeben. Dies muss auch jetzt das Ziel sein." Auch Bundeswirtschaftsminister Michael Glos (CSU) mahnte eine Einigung an. "Ein neuerlicher Bahnstreik würde für die Konjunktur in Deutschland zu einer weiteren Belastungsprobe werden", sagte er dem Handelsblatt.
Die neue Streikdrohung steht im Raum, weil die Bahn den Entgelttarifvertrag mit der Lokführergewerkschaft, der nach langen Verhandlungen Mitte Februar vorgelegt wurde, noch nicht unterschrieben hat. Das Unternehmen besteht darauf, dass zunächst ein Grundlagentarifvertrag unterschrieben wird, der die Anwendungsbereiche regelt. Dies lehnt die GDL ab. "Wir wollen zwar die Zusammenarbeit regeln, aber unsere Eigenständigkeit darf nicht wieder zunichtegemacht werden", sagte GDL-Sprecherin Gerda Seibert. Der Grundlagentarifvertrag hätte unter anderem festschreiben sollen, dass die GDL nicht für jene Lokführer verhandeln dürfe, die bei der Sparte "DB Zeitarbeit" angestellt seien, sagte Seibert. "Dort werden derzeit aber alle Lokführer angestellt. Es kann nicht sein, dass die Bahn auf diese Weise den Tarifabschluss unterläuft."
Der CDU-Politiker Heiner Geißler, der im Tarifkampf zwischen der Lokführergewerkschaft und der Bahn als Vermittler tätig war, unterstützt im aktuellen Konflikt die Position der GDL. "Unter den jetzigen Bedingungen ist der angekündigte Streik völlig berechtigt", sagte Geißler der taz. Es liege allein in der Hand der Bahn, den Streik noch zu verhindern, so Geißler: "Sie muss auf die unzumutbaren Bedingungen verzichten, die im Grundlagentarifvertrag aufgestellt werden."
Zentrale Frage sei, wie die eigenständigen GDL-Tarifverträge mit den Verträgen der anderen Bahngewerkschaften in Einklang gebracht werden. "Das Ziel, dies widerspruchs- und konfliktfrei zu gestalten, kann man nicht erzwingen", sagte Geißler an die Adresse der Bahn. "Stattdessen muss für diese Frage ein Instrument der Konfliktlösung gefunden werden, etwa ein Schiedsverfahren."
Zusammen mit Kurt Biedenkopf hatte Heiner Geißler im vergangenen Sommer zwischen der Gewerkschaft der Lokomotivführer und der Deutschen Bahn vermittelt. Die Schlichtungsvereinbarung der Moderatoren wurde zunächst als Durchbruch gewertet, später von Bahn und Gewerkschaft jedoch unterschiedlich interpretiert.
Die Bahn hatte auf die neue Streikankündigung am Montag empört reagiert. "Das versteht kein Mensch mehr", erklärte der Vorstandsvorsitzende Hartmut Mehdorn. Angesichts der beschlossenen Lohnerhöhungen sei ein Streik "reiner Irrsinn". Mehdorn warf der GDL vor, sie wolle "allein aus machttaktischen Gründen ein Verkehrschaos riskieren".
Kritik am Kurs der GDL kam auch von den konkurrierenden Bahn-Gewerkschaften Transnet und GDBA. Sie wollen nach der neuerlichen Streikankündigung nun wieder selbst für die Lokführer verhandeln. Das teilten die Vorsitzenden Norbert Hansen und Klaus-Dieter Hommel Bahnchef Hartmut Mehdorn in einem Schreiben mit, das der Agentur AP am Mittwoch vorlag. Ein konkretes Tarifangebot erwarten sie bereits für den 12. März.
In den beiden Gewerkschaften Transnet und GDBA "sind 5.000 Lokführer organisiert. Die erwarten nun endlich eine Lösung des Tarifkonflikts", sagte Transnet-Sprecher Michael Klein. Bei der GDL sind etwa 15.000 Lokführer organisiert. An der Streikdrohung der GDL und den damit verbundenen Problemen für die Kunden der Bahn im Personen- und Güterverkehr ändert die neue Entwicklung zunächst nichts. MALTE KREUTZFELDT
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