Lokalwahl in Taiwan: Die Opposition triumphiert
In Taiwan fährt die chinafreundliche KMT einen Erdrutschsieg ein. Die Hauptstadt Taipeh wird künftig von einem Diktatoren-Urenkel regiert.
![MAske der Kandidatin Wayne Chiang MAske der Kandidatin Wayne Chiang](https://taz.de/picture/5939943/14/Taiwan-1.jpeg)
Noch am Abend erklärte Präsidentin Tsai Ing-wen in Reaktion auf die Niederlage ihrer Partei (DPP) ihren Rücktritt als Parteichefin; als Präsidentin bleibt sie im Amt. Tsai mahnte an: „Angesichts des internationalen politischen Klimas und der zukünftigen Herausforderungen kann Taiwan es sich nicht leisten, ins Wanken zu geraten.“ Anders als die KMT geht die DPP außenpolitisch auf Distanz zu China, Teile der Partei fordern die Errichtung eines unabhängigen taiwanischen Staats.
Tsais Rücktritt wirft Fragen auf in Hinblick auf die künftige Parteiführung und den Kurs der DPP vor der Präsidentschaftswahl im Januar 2024. Tsai kann nach zwei Amtszeiten als Staatschefin nicht erneut antreten. Die Kandidatur im Rennen um ihre Nachfolge ist sowohl bei der KMT als auch bei der DPP offen.
Die DPP hatte versucht, Taiwans Verhältnis zu China zum zentralen Thema des Wahlkampfs zu machen. Medial dominierten jedoch lokalpolitische Themen sowie diverse Korruptions- und Plagiatsvorwürfe.
Laut Lev Nachman, Wahlforscher und Juniorprofessor an der National Chengchi Universität in Taipeh, spielt China bei Lokalwahlen in Taiwan traditionell eine geringere Rolle. „Es wird der KMT aber weiter schwerfallen, mit ihrer Position zu China auf nationaler Ebene genug Unterstützung zu finden.“ Dennoch geht die KMT deutlich gestärkt aus den Wahlen vom Samstag hervor.
Diktatoren-Urenkel wird Bürgermeister
Die KMT schneidet bei Lokalwahlen traditionell stark ab. Grund hierfür sind auch „lokale Netzwerke, die teils noch auf die Zeit der Diktatur zurückgehen“, so Nachman. Vor der Demokratisierung ab Ende der 1980er-Jahre regierte die KMT Taiwan autoritär und unterdrückte insbesondere unter der Führung Chiang Kai-sheks politischen Widerstand.
Politisch brisant ist daher die Wahl seines Urenkels Chiang Wan-an zum Bürgermeister Taipehs. Im Wahlkampf hatte Chiang seine Abstammung nicht in den Mittelpunkt gestellt. Am Vorabend der Wahlen erklärte er auf einer Wahlkampfveranstaltung in Taipeh, für ihn zähle nicht die Vergangenheit, sondern die Zukunft. Bei den Wahlen um das Bürgermeisteramt in Taipeh stellte der 43-jährige Chiang sich und seine Partei gar als Kraft der Erneuerung dar.
In der Anhängerschaft der KMT zieht Chiang jedoch auch aus seiner familiären Herkunft hohes Ansehen. Gleichzeitig schaffte er es, jüngere Wähler*innengruppen anzusprechen. Chiang wird aller Voraussicht nach nicht bei der kommenden Präsidentschaftswahl antreten, könnte jedoch künftig in der KMT eine Schlüsselrolle einnehmen.
40.000 mal Danke!
40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Tabubruch der CDU
Einst eine Partei mit Werten
Jugendliche in Deutschland
Rechtssein zum Dazugehören
Jens Bisky über historische Vergleiche
Wie Weimar ist die Gegenwart?
Krieg und Rüstung
Klingelnde Kassen
Denkwürdige Sicherheitskonferenz
Europa braucht jetzt Alternativen zu den USA
„Edgy sein“ im Wahlkampf
Wenn eine Wahl als Tanz am Abgrund verkauft wird