piwik no script img

Lokalkoloratur

Das traute Bild täuscht. Milliarden von Heringen bleiben die Freuden der Paarung vorenthalten. Dem zum Matjes berufenen Fisch – der Name kommt vom holländischen „Meisje“ (junges Mädchen) – zum Beispiel geht es schon vor der Pubertät an die Kehle: Ausgenommen bis auf die Bauchspeicheldrüse, deren Verdauungsenzyme ihm die Reife geben, wird der noch jungfräuliche Hering gnadenlos auf Salz gelegt. Jungfische in Öl gibt es heute zur Matjes-Premiere. Die im Zelt auf dem Gerhart-Hauptmannplatz ausgestellten Herings-Porträts haben demnächst vielleicht auch nostalgischen Wert. Die Heringe in der Nordsee sind so stark überfischt, daß ihr Bestand nach Angaben von Fischerei-Experten zusammengebrochen ist. Das heißt, es gibt nicht mehr genug geschlechtsreife Tiere. Schuld an der Misere sind die Gammelfischer. In ihren engmaschigen Netzen blieben im vergangenen Jahr sechs Milliarden junge Heringe als Beifang hängen und wurden, bevor sie sich vermehren oder wenigstens als Pellkartoffelbeilage Verwendung finden konnten, zu Fischmehl zermahlen oder zu Fischöl zerkocht. Wird die Gammelfischerei nicht drastisch eingeschränkt, gibt es Matjes bald nur noch auf Gemälden. VM

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen