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Lohnungleichheit in EUFrauen verdienen weniger

Theoretisch gilt in der EU: Gleicher Lohn für gleiche Arbeit. Praktisch sind die meisten Länder von diesem Grundsatz weit entfernt.

Die EU-Kommissarin für Justiz und Grundrechte, Viviane Reding. Bild: ap

Pünktlich zum Internationalen Frauentag am Montag hat die EU-Kommission wieder das Thema Lohnungleichheit entdeckt. 18 Prozent weniger Gehalt als ihre Kollegen bekommen Frauen im EU-Durchschnitt - in Deutschland sind es sogar 23,6 Prozent. Größer ist die Lücke nur noch in Österreich und in den Niederlanden.

Einer neuen Eurobarometer-Umfrage zufolge sind 82 Prozent der EU-Bürger der Ansicht, dass die Politik dagegen etwas tun sollte. Nur beim Thema Gewalt gegen Frauen ist die persönliche Betroffenheit noch höher: 92 Prozent sprechen sich hier für ein größeres Engagement der Politik aus. "Die Frage der politischen Teilhabe, also die Forderung nach mehr Frauen in politischen Positionen, ist hingegen den meisten nicht so wichtig", erklärte die für Gleichstellungsfragen zuständige Kommissarin Viviane Reding am Freitag.

Mit einer "Charta zur Gleichstellung" will die EU-Kommission dem Problem beikommen. Sie soll sicherstellen, dass Gleichstellungsfragen in allen europäischen Politikbereichen berücksichtigt werden. Die Forderung ist nicht so neu, wie sie Kommissionspräsident Manuel Barroso gestern zu präsentieren versuchte. Gleichbehandlung der Geschlechter ist schon jetzt eine der Querschnittsaufgaben europäischer Politik. Dennoch ist die Lohnlücke in der EU in den 15 Jahren seit der Pekinger Frauenkonferenz kaum geringer geworden. "In der derzeitigen Krisensituation kann sich Europa eine geschlechtsspezifische Lohndifferenz nicht leisten", glaubt Reding. Schließlich seien die Frauen inzwischen mindestens so gut ausgebildet wie die Männer. Diese Ressourcen müssten der Gesellschaft besser als bisher zur Verfügung stehen. Bis zum Frühherbst will sie Maßnahmen vorschlagen. Zum Beispiel sollen Unternehmen die Lohnstruktur öffentlich machen und höher bestraft werden, wenn sie männliche Bewerber und Mitarbeiter bevorzugen.

In Ländern, wo nur wenige Frauen berufstätig sind, wie Malta, Italien, Griechenland oder Polen, ist die Lohndifferenz deutlich geringer als in Ländern wie Irland, wo Frauen hauptsächlich in schlecht bezahlten Berufen arbeiten, oder in Deutschland, wo ein großer Teil der Frauen Teilzeit arbeitet. Die großen kulturellen Unterschiede und abweichenden Rollenbilder innerhalb Europas sorgen für eine sehr heterogene Lohnstruktur.

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13 Kommentare

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  • MM
    mann meier

    "...in Deutschland, wo ein großer Teil der Frauen Teilzeit arbeitet."

     

    Duchschnittsverdienst schön und gut,

    aber ein Vergleich, der nicht auf einen Stundenlohn abzielt, kann doch nur absurd sein!

     

    Wirklich relevant wären Zahlen für Löhne bei vergleichbaren Tätigkeiten.

     

    Die Lohndifferenz zwischen verschiedenen Berufsgruppen ist diskutierbar, aber führt die Genderdebatte nicht weiter, sondern lenkt von den Problemen ab...

  • W
    Wolfgang

    Lohnungleichheit, ein Teil der gesellschaftspolitischen Gewalt gegen Frauen in der bürgerlichen Gesellschaft - auch im Kapitalismus der Bundesrepublik Deutschland.

    "Die Gewalt hat nicht nur mit dem Aufkommen der bürgerlichen 'Gesetzmäßigkeit', des Parlamentarismus, nicht aufgehört, eine geschichtliche Rolle zu spielen, sondern sie ist heute genauso gut wie in allen früheren Epochen die Basis der bestehenden politischen Ordnung. Der ganze kapitalistische Staat beruht auf der Gewalt, und seine militärische Organisation ist an sich ein genügender, fausdicker Beweis dafür, den zu übersehen ein wahres Kunststück des opportunistischen Doktrinarismus ist." (Rosa Luxemburg)

  • C
    claudia

    Dazu fällt mir ein Erlebnis ein:

    Es hatte sich mal durch Umstrukurierungen ergeben, dass eine Produktentwicklergruppe nur aus Frauen bestand. Nach ca. einem Jahr stellte der Entwicklungsleiter erstaunt fest: "Von meiner Frauenriege könnten die männlichen Mitarbeiter noch was lernen".

    Ich entgegnete: "Warum sollten sie? Als Betriebsratsmitglied habe ich ja Einblick in die Gehaltsstruktur. Ihre männlichen Mitarbeiter sind mit der Leistung, die sie bringen, 1,5 Tarifgruppen höher gekommen."

    Darauf war er erstaunt: "So? Das habe ich mir noch gar nicht angeschaut." Entschwand und kam niemals wieder auf das Thema zurück. Kurz darauf wurde noch mal umstrukuriert und die "Frauenriege" gab es nicht mehr.

    Könnten irgendwelche "Genderrichtlinien" vielleicht igendwas ändern?

    Besser wäre mehr Realismus statt Genderallala.

     

    ---

    Man sieht ja an dem Kommentar von A. Besendonk, was in den Köpfen drin ist: "Frau = Putzfrau"

    Stellen Sie sich vor, lieber Besendonk, es würde jemand sagen: "Man sollte vielleicht für Neger den "Diplom-Schuhputzer" einführen". Das wäre Rassismus, gell?

  • KH
    Karin Haertel

    Mein maennlicher Kollege bekam monatlich 800 DM mehr als ich und wurde natuerlich auch von den maennlichen Vorgesetzten in allen Bereichen bevorzugt behandelt. Es gilt noch immer das mittelalterliche Klischee,wonach Frauen nur als Heimchen am Herd und Gebaehrmaschine taugen. Man schau mal auf Frau Merkel. Sie hat zwar eine Fuerungsposition, ist aber kinderlos und kann sich in ihrer Psition nicht wirklich durchsetzen.

  • O
    Olliver

    23-Märchen ist tausenfach widerlegt.

    Wie wärs mal da mit:

    - Wehr-/Zivildienst. Nur Männer werden verpflichtet.

    - Quotenregelung. Bei gleicher Qualifikation dürfen Frauen bevorzugt werden.

    - Gleichstellung. Von der Wahl zur Gleichstellungsbeauftragten werden Männer ausgeschlossen: sie dürfen weder wählen noch gewählt werden.

    - Männer müssen zwangsweise in ein staatliches Rentensystem einbezahlen, das für sie wegen der 6 Jahre geringeren Lebenserwartung erheblich schlechtere Renten erwirtschaftet als Frauen.

    - Männer sterben 6 Jahre früher. Warum nehmen Politik und Gesellschaft das einfach hin, warum ist das Kein Thema in der sonst allgegenwärtigen Gleichstellungsdebatte?

    - Scheidung, Sorgerecht, Unterhaltspflicht: Die RechtsPRAXIS bevorzugt Frauen

    - Vaterschaftsfeststellung: Kein praktikables Verfahren.

    - Häusliche Gewalt: Der Feminismus hat ein Klischee in der Öffentlichkeit etabliert: Männer = Täter, Frauen = Opfer. Nahezu alle Forschungsarbeiten widersprechen an dieser Stelle und gehen von einer ungefähren Gleichverteilung der Gewalt zwischen den Geschlechtern aus.

    - Bildung. Mädchenförderung in allen Bereichen, Jungen werden vernachlässigt.

    - Männer haben nicht nur die besten, sondern auch die schlechtesten und gefährlichsten Jobs: Bau, Müllabfuhr, Soldat, Kanalreinigung. Quote gefällig?

     

    Das sind sehr handfeste, konkrete und wichtige Punkte, viele der o.g. Punkte sind schlicht Tatsachen und können von niemandem bestritten werde.

     

    Warum berichten Sie nicht darüber?

  • IF
    Ines Fritz

    Der Artikel beweist sehr schön, dass wir immer noch in einem frauenfeindlichen Patriarchat leben! Der Feminismus muss endlich mal eine härtere und kompromisslosere Gangart an den Tag legen, sonst werden Frauen noch die nächsten tausend Jahre gedemütigt,betrogen,vergewaltigt, etc.!

     

     

    Grüße Ines Fritz

  • H
    Horst

    Lt. Gender-Datenreport 2005 der Bundesregierung, Seite 178, bekommen Männer in Teilzeitjobs bis 18 Wochenstunden 22% WENIGER Lohn als Frauen. Fühlt sich auch jemand für diese Klientel zuständig, oder haben Männer einfach nur das falsche Geschlecht um gleichstellungsberechtigt zu sein?

  • H
    Horst

    Lt. offiziellen Zahlen der Bundesregierung (Gender-Datenreport) bekommen Männer in Teilzeitjobs bis zu 18 Wochenstunden 20% WENIGER Geld als Frauen.

  • F
    franziska.qu

    Man weiß es eigentlich besser (s.u.). Was also soll mit dieser jährlichen Wiederholung des Falschen bewirkt werden?

    Einige Aussagen:

     

    1. Renate Schmidt im Tagesschau-Chat am 3.6.2003

    „Frauen verdienen ja nicht weniger: bei gleicher Tätigkeit, gleicher Qualifikation und gleicher Berufserfahrung wird es sehr schwer nachzuweisen sein, dass es tatsächlich in nennenswertem Umfang (von Einzelfällen abgesehen) eine ungleiche Bezahlung gibt. ... Ansonsten ist Lohndiskriminierung auch heute schon bei uns verboten. Und jede Frau hat die besten Chancen, eine Klage zu gewinnen, wenn es eine ungleiche Bezahlung bei sonst gleichen Voraussetzungen gibt.“

     

    2. Statistisches Bundesamt, Pressemitteilung Nr. 285 vom 13.07.2006

    „Aus dem geschlechterspezifischen Verdienstabstand kann nicht geschlossen werden, dass Frauen im gleichen Unternehmen für die gleiche Tätigkeit anders bezahlt werden als ihre männlichen Kollegen. Die Verdienstunterschiede zwischen Frauen und Männern lassen sich vielmehr durch Unterschiede in der männlichen und weiblichen Arbeitnehmerstruktur erklären. Diese sind beispielsweise gekennzeichnet durch Unterschiede im Anforderungsniveau, der Verteilung auf besser und schlechter bezahlte Wirtschaftszweige, der Größe der Unternehmen, der Zahl der Berufsjahre, der Dauer der Betriebszugehörigkeit und des Ausbildungsniveaus.“

     

    3. EU-Kommissar Spidla, 2007: "Bei Lohngefälle geht es jedoch nicht um unterschiedliche Bezahlung für gleiche Arbeit", erläuterte der EU-Kommissar. Ein wichtiger Grund für das große Lohngefälle in Deutschland sei vielmehr, "dass viele Frauen Teilzeit arbeiteten."

     

    4. BMFSJF:

    „Die in der Rede vom 8. März 2007 enthaltene Aussage von Frau Ministerin von der Leyen, dass ‚Frauen noch immer nur 77 % des männlichen Einkommens verdienen, wohlbemerkt für gleiche Arbeit’ ist daher in dieser Form nicht richtig und missverständlich, auch wenn er sich in den Medien oft so oder ähnlich findet.“

  • A
    atypixx

    Wie mkommt ein solches Ergebnis (23%) denn zustande? Darüber hätte man sich etwas Informationen gewünscht. Wenn viele als Putzfrau und Friseuse im Dumping-Lohnbereich arbeiten, während Männer auf dem Bau zumindest etwas mehr verdienen, dann würde ich diese 23% eher als wirtschaftsimmanentes Problem und nicht als solches des Gendermainstreamings werten.

  • B
    BergarbeiterIN

    Leicht reden hat die Dame mit einem monatlichen fünf-stelligen Nettogehalt. Gespannt sein darf man auch auf konkrete Schritte zur Umsetzung ihrer Forderung.

     

    In der freien Wirtschaft greifen nunmal andere Mechanismen als in einer EU-Bürokratie, wo man das Geld quasi fast selbst drucken kann und dementsprechend verteilt.

     

    Am besten man gründet noch ein paar pseudowissenschaftliche Gender-Institute mit jährlichen Millionenbudgets, viele Frauen in Europa werden jeden Tag auf Knien dafür danken.

  • RL
    Rüdiger Lange

    Wie schön sind diese Thesen: "Gleicher Lohn für gleiche Arbeit!", wer will dem widersprechen. Am Besten: Ein neues Gesetz. Oder gleich viele neue Gesetze für jeden europäsichen Mitgliedsstaat und eine Zentral-Regelung für ganz Europa oben drüber. Oder - noch besser - eine Behörde zur Überwachung und Durchsetzung. Wenigstens eine Ministerial-Verwaltung mit einigen Beamten, Formularen, die jede Firma ausfüllen muss.

     

    Und sollte sich jemand fragen, warum sogar solche Produkte, die vollautomatisch ohne menschliche Arbeitskraft hergestellt werden, nahezu alle aus China kommen, wissen wir: Für die Gerechtigkeit!

     

    Und dennoch: Der Parole: "Gleicher Lohn für gleiche Arbeit" kann auch ich nicht widersprechen.

  • AB
    Arno Besendonk

    Jaa, es kann nur noch eine Frage der Zeit sein, bis die Diplom - Putzfrau bei entsprechendem Gehalt als Beruf eingeführt wird.

    Ist zusätzlich auch ein Beitrag zur Versorgung der Aburentenschwemme, durch die die Leistung der Abiturienten entwertet wird!