Lohndumping für Zeitungs-Zusteller: Zusteller sollen kürzer treten
Abendblatt-Austräger sollen auf Lohn verzichten. Ein Rentnerehepaar macht nicht mit - und ist jetzt draußen. Die Zustellagentur redet von "Optimierungen".
Ein Arbeitstag begann früh für Erich und Edith Dabelstein. Sechs Tage pro Woche holten Sie um 3.30 Uhr ihre rund 165 Zeitungen bei der Sammelstelle ab und verteilten sie binnen dreier Stunden. Seit dem 15. Juli tun die Dabelsteins das nicht mehr.
Der Grund: Ihnen wurde gekündigt. Und ein neuer Vertrag angeboten: Für rund 15 Prozent weniger Gehalt. Die beiden Boten schrieben wütende Protestbriefe - und unterschrieben schließlich nicht.
Die beiden Rentner verteilten überwiegend das Hamburger Abendblatt, aber auch andere Zeitungen wie die taz. Sie arbeiteten für die Zustellagentur Monika Gehrke Direktvertrieb, die im Auftrag des Abendblatts in einem Teil der Stadt die Verteilung der Zeitung organisierte.
Bis Mitte Juli erhielten die Dabelsteins 515 Euro zuzüglich Kilometergeld für ihre Arbeit. Nach den Berechnungen der beiden Austräger entspricht das einem Stundenlohn von 6,13 Euro pro Stunde. Das neue Angebot: 445 Euro für die gleiche Arbeit. Umgerechnet 5,29 Euro pro Stunde.
"Das ist Lohndumping", sagt Edith Dabelstein. Es gebe keinen anderen Grund, sie zu kündigen, sagt sie. Es habe keine Abmahnungen gegeben, die Anzahl der zu verteilenden Zeitungen sei auch stabil gewesen.
Die Tageszeitungen beschäftigen direkt oder indirekt Verteiler, damit die Leser morgens eine Zeitung im Briefkasten haben.
Regionalzeitungen haben eigene Verteilnetze, die oft auch von anderen Zeitungen genutzt werden.
Beim Abendblatt-Vertrieb kam es im letzten Jahr zu Umstellungen. Es gibt weniger Agenturen, die größere Gebiete verwalten.
Die taz nutzt in einigen Stadtteilen das Netz des Abendblatts. In anderen arbeitet eine Agentur direkt für die taz.
Die Zusteller sind bei Agenturen angestellt. Die erhalten das Geld vom Verlag und entscheiden über die Bezahlung. Vergütet wird in der Regel nach Stückzahl.
Deshalb schrieben Edith und Erich an ihre Chefin und an die Geschäftsführung des Springer-Verlags. Der verkündete im Mai noch Rekordgewinne und verwies auf die hohe Profitabilität seiner deutschen Zeitungen.
Die Dabelsteins schlugen vor, zu den alten Konditionen weiter zu arbeiten. Zeitgleich machten sie einen juristischen Fehler: Sie hofften über drei Wochen auf Bewegung bei ihrer Arbeitgeberin. Danach war es zu spät für eine Kündigungsschutzklage.
"Mir tun die Leute leid, die von dem Job abhängig sind", sagt Edith Dabelstein. Das betreffe vor allem Menschen, die Hartz IV bekommen, und Ausländer. Die hätten nicht die Möglichkeit, bei solchen Kürzungen nicht mitzumachen. Für die Rentner war es nur ein Zuverdienst.
Es ist nicht das erste Mal, dass die Bezahlung von Verteilern des Hamburger Abendblatts in der Öffentlichkeit diskutiert wird. Erst am 20. April berichtete das NDR-Magazin "Menschen und Schlagzeilen" über eine andere Agentur, die für das Abendblatt arbeitet.
Ein Reporter arbeitete verdeckt als Verteiler, bekam umgerechnet vier bis fünf Euro Stundenlohn. Gegenüber dem NDR erklärt der Springer-Verlag, dass er einen Stundenlohn von 7,50 Euro anstrebe.
"Wir distanzieren uns ausdrücklich von Lohndumping", schreibt ein Springer-Sprecher auf Nachfrage der taz. Das Hamburger Abendblatt stehe als Traditionsmarke für die Einhaltung sozialer Standards.
Bezahlt werde nach verteilter Stückzahl, sollte dabei ein Lohn von unter 7,50 Euro pro Stunde herauskommen, "sind wir jederzeit bereit, die Dienstleistungsagentur bei Maßnahmen zu unterstützen, um das angesprochene Lohnniveau zu erreichen".
Auch Monika Gehrke reagiert auf die Anfrage der taz. Sie schreibt von neu zu organisierenden Touren und Stundenlöhnen, die man nicht pauschal ermitteln könne. "Strukturen" seien "durch Anpassungen zu optimieren".
Auf den Fall Dabelstein geht Gehrke nicht ein - auch auf Nachfrage nicht.
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