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Lobbyismus-Skandal in GroßbritannienWikipedia sperrt Lobbyisten aus

Mit versteckter Kamera wurde eine britische Lobbyfirma beim Prahlen gefilmt: Sie könne sich um unliebsame Wikipedia-Artikel kümmern. Nun zieht das beliebte Online-Lexikon Konsequenzen.

Mit versteckter Kamera überführt: Manager der Firma Bell Pottinger prahlt von Kontakten zum Premierminister. Bild: Screenshot: Independent.co.uk

LONDON dpa/taz | Das Internet-Lexikon Wikipedia zieht Konsequenzen aus einer Lobbyismus-Affäre im Umfeld der britischen Regierung. Wikipedia-Gründer Jimmy Wales kündigte in der Financial Times an, zehn in Zusammenhang mit der Lobby-Firma Bell Pottinger stehende Nutzer-Konten gesperrt zu haben.

Es bestehe der Verdacht, dass die Regeln zum Erstellen oder Ändern von Einträgen im Online-Lexikon gebrochen worden sein könnten. "Wir sehen uns jetzt deren Aktivitäten an, um uns einen Überblick zu verschaffen", sagte Wales. Bis Ende der Woche wolle man reagieren.

Wikipedia ist eine der beliebtesten Internet-Seiten weltweit. Die kostenlose Online-Enzyklopädie enthält derzeit rund 20 Millionen Artikel in verschiedenen Sprachen - alle erstellt von freiwilligen Nutzern. Richtlinien sollen Interessenskonflikte vermeiden. Die Änderungen sind in der Versionsgeschichte eines Artikels dokumentiert und somit auch im Nachhinein nachvollziehbar.

Firma räumt Änderungen ein

Bell Pottinger hat der Financial Times zufolge eingeräumt, im Auftrag von Kunden Wikipedia-Einträge bearbeitet zu haben. Dies sei jedoch nie auf illegale Weise geschehen. "Wenn uns Kunden gefragt haben, Unwahrheiten zu veröffentlichen, haben wir dies mit Hinweis auf Wikipedias strenge Regeln immer verweigert."

Zuvor hatte die Zeitung Independent Aufzeichnungen veröffentlicht, in denen Mitarbeiter von Bell Pottinger angeben, Premierminister David Cameron beeinflussen, Google-Ergebnisse verbessern und sich um negative Wikipedia-Artikel "kümmern" zu können. Außerdem könne man über Parlamentsabgeordnete investigativ arbeitende Journalisten unter Druck setzen, indem man diese wegen kleinerer Faktenfehler anschwärze.

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5 Kommentare

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  • RB
    Robin B.

    @ Kaboom:

     

    Na klar, kann man das leider nicht ändern, aber man muss ja auch nicht gleich alles glauben, was in wikipedia steht, man kann das ja alles aus anderen Quellen nachprüfen.

  • AH
    Aus Haching

    Mal eine andere Frage: Kontrolliert eigentlich jemand, ob in Foren wie diesem hier bezahlte Schreiber arbeiten? Bei der taz habe ich nicht das Gefühlt, aber wenn man sieht, dass bei einer bekannten Münchner Zeitung manche dutzende Artikel an einem Tag schreiben und das jeden Tag, frage ich mich schon, was das soll.

  • LI
    Lobby isten

    "Außerdem könne man über Parlamentsabgeordnete investigativ arbeitende Journalisten unter Druck setzen, indem man diese wegen kleinerer Faktenfehler anschwärze."

    Vielleicht sollte die Presse doch mal anfangen ein anonymes Internet-Meldesystem aufzubauen.

    - Die DAX-Firma bilanziert ihre Grundstücke anders als die meisten anderen DAX-Firmen. Daher sind Mitarbeiter gegangen.

    - Künast hat geheiratet

    - schaut mal Insolvenzverfahren 0815

    - Dr-Titel ...

    - XY hat seine Rolex retuschieren lassen

    - Die Einträge zu Hans Wurst sind vom Bundes/Landtags-IP-Nummern um Stellen bereinigt wurden.

    - Bei ... haben die Mitarbeiter schon seit August keinen Lohn mehr bekommen. Den müssen wir Steuerzahler jetzt vermutlich bezahlen.

    - ...

    Zig andere Dinge die nicht geheim sind und das Volk wissen sollte.

    Um unsere Politiker zu zitieren: "Dioxin-Werte sind keine Geschäftsgeheimnisse"

    Oder die Nazis deponieren geklaute Dinge in einer Garage und melden das dann um das Zeug loszuwerden.

    Das alles ist aktuell vollkommen unmöglich. Da will jemand das Volk z.B. vor Börsen-Abzocke oder gefälschten Dr.Trägern retten und keiner hilft ihm. Danke Presse und Piraten und Gewerkschaften. Ich dachte ihr wollt eine bessere Welt.

     

    Was man dafür braucht, lernt man im Grundstudium. Daher ist es sehr befremdlich, das Gewerkschaften, Piraten, Hoster, Korruptionsmeldestellen, Kapitalgesellschaften, Börsen-Analysten und natürlich die Presse so etwas schon lange nicht hat und betreibt. Man wartet wohl lieber auf das FAX von der Regierung wie die entlarvende PR-Konferenz dieses Jahr zeigte. Englische Journalisten wollen wenigstens noch etwas berichten (wenn auch teilweise mit unlauteren oder verbotswürdigen Methoden). Deutsche Journalisten erinnern überwiegend an Hofberichterstatter oder Bratwurst-Freibier-Festangestellten-Journalisten wie Horst Schlämmer.

     

    Der Unterschied zu den Leaks-Plattformen ist, das man nur kurze eingetippte Texte den Transport und die Eingabe sichern muss. Das lernt man in den Grundvorlesungen.

    Bei geklauten illegalen Dokumenten und Filmen wie bei den Leaks-Plattformen ist das aufwendiger und wird wegen möglichen Wasserzeichen auch "nie" beweisbar sicher sein.

     

    Sogar die Yellow-Press sollte daran interessiert sein und sowas längst betreiben. Das 95% Unfug ist, ist klar. Aber dafür gibts klare Vorgangs-Regeln die der Einreicher auch kennt. Man kann den Zustand seiner Einreichung auch auf Sammelübersichten sehen. Recherchieren muss man natürlich immer noch.

    Aber einen Politiker einen Zettel in den briefkasten werfen "Lassen sie die Alimente für ein bisher unbekanntes Kind von Ihnen vom Sozialamt zahlen ? Ihre taz.(...telefon-nummer... Fall 2011-567)" wird ja wohl sogar die unterbezahlte taz-Redaktion gebacken kriegen.

    Oder eine Lohn-Umfrage bei Supermarkt-Ketten könnte man auf diese Weise anonym organisieren. Die Gewerkschaften sind an Computern ja nicht interessiert weil die ganzen Verwaltuns-Sessel-Pöstchen dann weg wären und nur noch echte operative Arbeiter die Mehrheit im Unternehmen stellen würden anstatt Sesselpupsern wie Stromberg und seine tausenden überflüssigen Verwaltungs-Mitarbeiter.

  • K
    KFR

    als sollte wickipedia auch ein öffentlich zugängliches Register der aktiven Lobbyisten mit ihren Tätigkeiten, Verbindungen und Seilschaften führen, im UK wird das für Unternehmungen gegenüber der Regierung bereits praktiziert, monatliche Listen der "Kontaktgespräche" puibliziert !

  • K
    Kaboom

    Nette Symbolaktion von Wiki, geht aber am Kern des Problems vorbei. Es ist leider realistisch anzunehmen, dass dutzende Firmen, PR-Agenturen, Lobbyorganisationen etc. pp. Wiki-Artikel in ihrem Sinne umschreiben. Zu vielen brisanten Themen ist Wikipedia ebenso wertlos, wie zu Einträgen die sich kaum Aufmerksamkeit der Admins erfreuen.

    Und dagegen kann es in einem offenen System kein Konzept geben.