piwik no script img

WühltischLob der Schwarzarbeit

■ Zur Blüte und sozialen Praxis des verfemten Teils alltäglicher Erwerbsarbeit

Allein in Berlin sind im vergangenen Jahr 33.826 Ermittlungsverfahren wegen Schwarzarbeit und Sozialmißbrauchs eingeleitet worden. Die Tendenz, behaupten Sozialpolitiker, sei steigend. Weiterhin sehr hoch ist auch die Zahl der Firmenpleiten, die von den Betroffenen nicht selten auf schlechte Zahlungsmoral und einen hohen Anteil an nicht versteuerter Arbeit zurückzuführen ist. Soweit die Fakten. Der Rede der Staatsverschuldung folgt an dieser Stelle nicht selten eine Rhetorik des Ressentiments. Für diesmal aber kein Wort zur Schwarzarbeit als asozialer Handlung. Im Gegenteil.

Nicht zu leugnen ist nämlich die Blüte ihrer sozialen Praxis. In avancierten, allemal besserverdienenden Kreisen, bedient man sich ungeniert der verfemten Werktätigkeit, um des privaten Schmutzes Herr und Frau zu werden. Vorzugsweise polnische, tschechische, türkische, chinesische sowie studentische Putzhilfen aller Nationalitäten halten unter Umgehung von Sozialversicherung und Steuer die privaten Schreibtische und deren angrenzende Umgebung sauber.

Gegen sozialpolitische Korrektheit spricht in den meisten Fällen das reibungslose Funktionieren derartiger Haushaltskonsolidierung. Man überläßt fremden Menschen, für deren Ehrlichkeit stets Empfehlungen von Freunden vorliegen, den Wohnungsschlüssel, und abends nach der Uni-, Redaktions- oder Büroarbeit ist die Küche sauber. Brächte man alte Kategorien wie Ausbeutung ins Spiel, die Täter erkannten sich nicht oder entzögen sich empört der Unterhaltung. Die Putzhilfe gilt eher als Errettung aus einem häuslichen Notstand und rangiert unterhalb der Schwelle zur registrierten Dienstleistung, die unangenehm nach Amtsflur riecht.

Dagegen wird die bezahlte Inanspruchnahme von begabten wie vielseitigen Zeitgenossen aus dem Freundeskreis oder einer Kleinanzeige des zuhandenen Stadtmagazins als Notwehr gegen das bisweilen kränkende Berufsethos der verschiedenen Handwerksmeister begriffen. Neulich zum Beispiel der Monteur einer Servicefirma, der wegen eines quietschenden Wäschetrockners gerufen werden mußte. Seine Rechnung belief sich auf 75,56 Mark für seine viertelstündige Anwesenheit und den hingenörgelten Hinweis, daß der Trockner regelmäßiger Wartung bedürfe. Das Quietschen käme von den Laufriemen, deren Ersetzung etwa dem Wert des Geräts gleichkäme, also nicht lohne. Es sei aber nicht weiter schlimm. Die Ersetzung des Monteurs durch einen versierten Bastler ist für das nächste Modell, das es, zugegeben, vorerst nicht geben wird, bereits beschlossene Sache.

Wer wie ich das Heimwerken aus Unfähigkeit wie Überzeugung verachtet, wird nach mehrjährigem Ausharren in verwohnter Umgebung nicht umhinkommen, sich irgendwann mit der Angebotsstruktur schwarzer Märkte vertraut zu machen. Für Maler-, Abschleif- und andere Rekonstruktions- und Verschönerungsarbeiten finden sich rasch die entsprechenden Ansprechpartner. Während sich mit dem Handwerksmeister schon die Terminvereinbarung für einen Kostenvoranschlag als mittleres logistisches Problem erweist, gilt der Schwarzarbeiter als flexibel und unproblematisch. Anstelle eines Eintrags im Branchenbuch setzt er auf seinen guten Ruf, allenfalls gestützt durch die Zuhandenheit eines Handys. Pünktlichkeit ist seine Zier und freiwillige Nachbesserungen eine Tugend, derweil es sich als Betriebspraxis legalisierter Arbeit längst durchgesetzt hat, auf der einen Baustelle kurz zu erscheinen und anschließend auf einer anderen weiterzuarbeiten. So jedenfalls versteht man das Wort virtuell am Bau. Der Schwarzarbeiter setzt indessen auf zügige Auftragserledigung. Der Begriff von Wertarbeit und Qualität, so scheint's, bemißt sich immer stärker an den Graden der Illegalität.

Den Imagewandel der eigenen Zunft und das gewachsene Ansehen der Illegitimen ist auch den Gewerbetreibenden nicht verborgen geblieben. Längst bieten sie unverhohlen, freilich immer ein wenig verdruckst, Quasi-Schwarzarbeit an. Kaum eine Tätigkeit, die nicht ohne oder auf Teilrechnung zu haben wäre. Man macht halbe-halbe mit dem Kunden und gegen den Staat.

Der sensibelste Punkt in der Kommunikation zwischen Kunden und dem Anbieter von Arbeitskraft und Know-how, darin stimmen Schwarzarbeiter und legaler Handwerker weitgehend überein, ist die Ermittlung der Schmerzgrenze des Kunden für die anstehenden Kosten. Ist die Grenze sicher ertastet, kann die Arbeit beginnen. Wenn schon nicht aus moralischen Gründen, so doch zum Erzielen eines besseren Preises sollte der Konsument von Schwarzarbeit prinzipielle Einwände gegen diese nicht verhehlen. Harry Nutt

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen