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Literaturnobelpreisträger gestorbenGünter Grass ist tot

Mit der „Blechtrommel“ verfasste Günter Grass Weltliteratur, als gesellschaftspolitischer Moralist erregte er Widerspruch. Nun verstarb er 87-jährig.

Literaturnobelpreisträger Günter Grass 2013 bei einer Lesung Bild: dpa

LÜBECK dpa | Günter Grass ist tot. Der Schriftsteller und Literaturnobelpreisträger starb am Montag im Alter von 87 Jahren in Lübeck, teilte der Steidl Verlag in Göttingen mit. Grass galt als einer der weltweit bedeutendsten deutsche Autoren der Gegenwart. Lebenslang schaltete er sich leidenschaftlich in gesellschaftspolitische Debatten ein. Gleich sein erster, 1959 erschienener Roman „Die Blechtrommel“ war ein Welterfolg. 40 Jahre später wurde Grass für sein Gesamtwerk mit dem Literaturnobelpreis geehrt.

„Die Blechtrommel“ brachte dem gebürtigen Danziger auch international den Durchbruch. Sie gehört zu den wichtigsten Romanen der deutschen Nachkriegsliteratur und gilt als Jahrhundertwerk. Das Nobelpreis-Komitee nannte das Buch die „Wiedergeburt des deutschen Romans im 20. Jahrhundert“. Grass erzählt darin von den Erlebnissen des aus Danzig stammenden Zwerges Oskar Matzerath, der sich mit drei Jahren weigert, weiter zu wachsen.

Das Erscheinen des Bildungs- und Schelmenromans rief in der Bundesrepublik manche Sittenwächter auf den Plan, die sich an den teils deftigen erotischen Szenen störten. Seit den „Buddenbrooks“ von Thomas Mann habe kein Erstling einen derartigen Aufruhr verursacht, befand das Nobelpreiskomitee. Die Verfilmung des deutschen Regisseurs Volker Schlöndorff wurde 1980 mit dem Oscar für den besten ausländischen Film ausgezeichnet.

Der zuletzt in Behlendorf bei Lübeck lebende Grass hatte nach dem Krieg eine Steinmetzlehre gemacht und in Düsseldorf und Berlin Kunst studiert; er war Bildhauer und Grafiker. Er zeichnete auch und schrieb Gedichte. „Die Blechtrommel“ bildet zusammen mit der Novelle „Katz und Maus“ (1961) und dem Roman „Hundejahre“ (1963) die sogenannte Danziger Trilogie.

Grass löste oft Kontroversen aus

Weitere wichtige Werke sind die Novelle „Aus dem Tagebuch einer Schnecke“, die Romane „Der Butt“ (1977) und „Die Rättin“ (1986), das skandalumrankte Buch „Ein weites Feld“ (1995) sowie die Novelle „Im Krebsgang“ (2002). Fast ein halbes Jahrhundert nach der „Danziger Trilogie“ schrieb Grass seine „Trilogie der Erinnerung“ mit drei autobiografischen Bänden.

Der erste autobiografische Band „Beim Häuten der Zwiebel“ sorgte 2006 für manchen Aufschrei. Überraschend machte Grass öffentlich, dass er als 17-Jähriger am Ende des Zweiten Weltkriegs Mitglied der Waffen-SS war. Dem Autor wurde vorgeworfen, seine SS-Zugehörigkeit zu lange verschwiegen zu haben, während er andere immer wieder wegen ihrer NS-Vergangenheit öffentlich kritisiert habe.

In der Bundesrepublik engagierte sich Grass schon seit den 1960er Jahren als Gesellschaftskritiker. Seit den 1960er Jahren warb er in Wahlkämpfen für die SPD. Aus Protest gegen deren Asylpolitik trat er 1992 zwar aus der Partei aus, blieb ihr aber bis zuletzt verbunden. Früh setzte er sich auch für eine deutsch-polnische Verständigung und für den Verzicht auf die ehemaligen deutschen Ostgebiete ein. Immer wieder löste er heftige Kontroversen aus, zuletzt 2012 wegen eines israelkritischen Gedichts.

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8 Kommentare

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  • 6G
    6020 (Profil gelöscht)

    de mortuis nil nisi bene „über die Toten rede nur gut“? Schön wär's ..

     

    Also, diese Rede von „E. Intuition“ unten ist voller Widersprüche, da wird u.a. deklariert, gefordert, nur Gutes über den Verstorbenen Grass zu sagen, er aber u.a. des Antisemitismus bezichtigt!

     

    Grass prophezeite selbst in dem genannten Gedicht:

    „Das allgemeine Verschweigen dieses Tatbestandes [u.a. der atomaren Bewaffnung, der Drohungen Israels bzgl. eines Erstschlages etc.] .., der Strafe in Aussicht stellt, sobald er mißachtet wird; das Verdikt "Antisemitismus" ist geläufig.“

     

    Weshalb denn nun der Antisemitismus-Vorwurf?

    Nein, nicht wg. der von ihm zu lange verschwiegenen Zugehörigkeit zur Waffen SS (als 17jähriger), nein, er wagte den immer noch existenten Tabubruch in Deutschland, er hat die geopolitische Ausrichtung Israels kritisiert!

     

    Eines Landes, welches seit Jahrzehnten nach einem Völkerrechtswidrigen Krieg ebensolche Gebiete okkupiert hält, dort einen in fast aller Welt verurteilten Siedlungs-Imperialismus betreibt, einen 2 Klassen-Staat ausbaut, mit massiver Missachtung der Menschenrechte der Palästinenser, zuletzt einen unverhältnismäßig grausamen, unangebrachten Vergeltungskrieg gegen den Gaza führte, und auch schon wieder von der BRD ein Atomwaffenfähiges U-Boot (zudem größtenteils auf Kosten dt. Steuerzahler) geliefert bekommt.

     

    Wer dies so erwähnt ist damit naturgemäß ein Kritiker der Politik des jüdischen Staates Israel, aber nicht unbedingt ein Kritiker des Existenzrechtes Israels, oder ein Feind des jüdischen Volkes, NUR letztere beiden Umstände würden das Etikett des „Antisemitismus“ verlangen und erlauben, aber nichts davon kann man bei Grass lesen, und i.ü. auch nicht bei mir!

     

    Und gerade wenn man bedenkt, was denn in dieser „Debatte“ nun wirklich den Antisemitismus befördern könnte, dann m.E. eher die undifferenzierten verbalen Hammer-Schläge eines Scharfmachers wie Graumann, als die Worte von Grass!

  • Neben Heinrich Böll und Max Frisch gehörte Grass zu den wichtigsten Schriftstellern meiner frühen Jugend.

     

    Im Gegensatz zu den beiden anderen, entlarvte sich Grass im Laufe der Jahre zusehends, nicht zuletzt in seiner nahezu religiösen Vasallenschaft zur SPD.

     

    Seine viel zu lange, peinlich verschwiegene

    Zugehörigkeit zur Waffen-SS und sein antisemitisches Gedicht "Was gesagt werden muss",

     

    http://www.tagesspiegel.de/meinung/provokantes-gedicht-guenter-grass-ein-kreis-schliesst-sich/6476602.html

     

    haben die Bedeutung eines der wichtigsten Nachkriegs-Autoren so überragender Meisterwerke von Blechtrommel, Katz und Maus über Hundejahre, bis zu Butt und Rättin erheblich „geschmälert“.

     

    Nicht nur seine literarische Glaubwürdigkeit hat der ständige Mahner damit ein beträchtliches Stück weit selbst demontiert.

     

    Es zeigt aber letztlich, dass auch ein Nobelpreisträger letzen Endes auch nur ein Mensch mit Fehlern und Schwächen ist.

     

    De mortibus nihil nisi bene.

  • Als lübsches Gewächs bin ich Partei - ja.

    (z.B. - G.G.s Verschandelung der Marienkirche -

    zu solchem - öh Tun &abschließend

    Robert Gernhardt;

    Malskats Fälschungen wären mir lieber);

    Alfred Andersch - "Politischer Plattkopf"-

    ähnl. neustens Klaus Harpprecht in "Schräges Licht" - ziemlich bodenlos.

     

    Literarisch - wie Thomas Mann - ein bemühter Langweiler.

    "Katz&Maus" - kann man nehmen -

    (but - auch hier feige die Fahnenflucht im Dunkeln gelassen - anders als A.A.)

     

    &Günter WaffenGraSS? -

    Klassisches Kaschuben-Klischee -

    "Überraschend spät geoutet?"

    Nö - Anderenfalls hätte er den Nobelpreis sicherlich nicht bekommen.

    &Unvergessen - der Essay dazu von

    Louis Begley - Tenor: dennoch unfassbar berechnend Freundschaft erschlichen.

     

    Ja - Ranwanzen - war sein Metier.

  • Am Rande: Sein im Artikel am Ende erwähntes Gedicht hatte mich damals - traurig und enttäuscht - zu dem klassischen Zitat veranlasst: Si tacuisses, philosophus manisses (Hättest du geschwiegen, wärst du eine Weiser geblieben), denn diese m.E extrem einseitige Schuldzuweisung war nicht mehr nur "israelkritisch", sie stellte sich in die intellektuell armselige Reihe der millionenfach notorisch einseitig extrem verzerrten anti-israelischen Vorurteils-Ideologien, wie sie weltweit bis heute verbrteitet sind, und dies keieswegs nur bei alten oder neuen Nazis, sondern auch bei vielen, die sich irgendwie für links halten, die aber seltsam blind sind, sobald es darum ginge, die politischen 'Nachfahren' des einstigen Nazifreundes Al-Husseini zu kritisieren, ein trauriger Tiefpunkt im Spätwerk eines großen Autors und mir durchaus sympathischen Menschen.

    • @Be. Wa.:

      si tacuisses....?

      • @christine rölke-sommer:

        ... mansisses. ;-))