Literaturnobelpreisträger gestorben: Günter Grass ist tot
Mit der „Blechtrommel“ verfasste Günter Grass Weltliteratur, als gesellschaftspolitischer Moralist erregte er Widerspruch. Nun verstarb er 87-jährig.
LÜBECK dpa | Günter Grass ist tot. Der Schriftsteller und Literaturnobelpreisträger starb am Montag im Alter von 87 Jahren in Lübeck, teilte der Steidl Verlag in Göttingen mit. Grass galt als einer der weltweit bedeutendsten deutsche Autoren der Gegenwart. Lebenslang schaltete er sich leidenschaftlich in gesellschaftspolitische Debatten ein. Gleich sein erster, 1959 erschienener Roman „Die Blechtrommel“ war ein Welterfolg. 40 Jahre später wurde Grass für sein Gesamtwerk mit dem Literaturnobelpreis geehrt.
„Die Blechtrommel“ brachte dem gebürtigen Danziger auch international den Durchbruch. Sie gehört zu den wichtigsten Romanen der deutschen Nachkriegsliteratur und gilt als Jahrhundertwerk. Das Nobelpreis-Komitee nannte das Buch die „Wiedergeburt des deutschen Romans im 20. Jahrhundert“. Grass erzählt darin von den Erlebnissen des aus Danzig stammenden Zwerges Oskar Matzerath, der sich mit drei Jahren weigert, weiter zu wachsen.
Das Erscheinen des Bildungs- und Schelmenromans rief in der Bundesrepublik manche Sittenwächter auf den Plan, die sich an den teils deftigen erotischen Szenen störten. Seit den „Buddenbrooks“ von Thomas Mann habe kein Erstling einen derartigen Aufruhr verursacht, befand das Nobelpreiskomitee. Die Verfilmung des deutschen Regisseurs Volker Schlöndorff wurde 1980 mit dem Oscar für den besten ausländischen Film ausgezeichnet.
Der zuletzt in Behlendorf bei Lübeck lebende Grass hatte nach dem Krieg eine Steinmetzlehre gemacht und in Düsseldorf und Berlin Kunst studiert; er war Bildhauer und Grafiker. Er zeichnete auch und schrieb Gedichte. „Die Blechtrommel“ bildet zusammen mit der Novelle „Katz und Maus“ (1961) und dem Roman „Hundejahre“ (1963) die sogenannte Danziger Trilogie.
Grass löste oft Kontroversen aus
Weitere wichtige Werke sind die Novelle „Aus dem Tagebuch einer Schnecke“, die Romane „Der Butt“ (1977) und „Die Rättin“ (1986), das skandalumrankte Buch „Ein weites Feld“ (1995) sowie die Novelle „Im Krebsgang“ (2002). Fast ein halbes Jahrhundert nach der „Danziger Trilogie“ schrieb Grass seine „Trilogie der Erinnerung“ mit drei autobiografischen Bänden.
Der erste autobiografische Band „Beim Häuten der Zwiebel“ sorgte 2006 für manchen Aufschrei. Überraschend machte Grass öffentlich, dass er als 17-Jähriger am Ende des Zweiten Weltkriegs Mitglied der Waffen-SS war. Dem Autor wurde vorgeworfen, seine SS-Zugehörigkeit zu lange verschwiegen zu haben, während er andere immer wieder wegen ihrer NS-Vergangenheit öffentlich kritisiert habe.
In der Bundesrepublik engagierte sich Grass schon seit den 1960er Jahren als Gesellschaftskritiker. Seit den 1960er Jahren warb er in Wahlkämpfen für die SPD. Aus Protest gegen deren Asylpolitik trat er 1992 zwar aus der Partei aus, blieb ihr aber bis zuletzt verbunden. Früh setzte er sich auch für eine deutsch-polnische Verständigung und für den Verzicht auf die ehemaligen deutschen Ostgebiete ein. Immer wieder löste er heftige Kontroversen aus, zuletzt 2012 wegen eines israelkritischen Gedichts.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nan Goldin in Neuer Nationalgalerie
Claudia Roth entsetzt über Proteste
Politikwissenschaftlerin über Ukraine
„Land gegen Frieden funktioniert nicht“
Juso-Chef über Bundestagswahlkampf
„Das ist unsere Bedingung“
Bündnis Sahra Wagenknecht
Ein Bestellerautor will in den Bundestag
Nukleare Drohungen
Angst ist ein lautes Gefühl
taz-Recherche zu Gewalt gegen Frauen
Eine ganz normale Woche in Deutschland