Linkspartei nach Lafontaine-Rückzug: Jung und weiblich favorisiert
Nach dem Rückzug Oskar Lafontaines als Kandidat für den Parteivorsitz der Linken mehren sich die Stimmen für eine weibliche Doppelspitze. Am Mittwochmittag soll es eine Erklärung geben.
BERLIN dpa/dapd | Nach dem Rückzug von Oskar Lafontaine geht der Führungsstreit bei der Linken in eine neue Runde. Thüringens Fraktionschef Bodo Ramelow legte Lafontaines Widersacher Dietmar Bartsch nahe, nun ebenfalls auf eine Kandidatur für den Parteivorsitz zu verzichten. Zugleich mehren sich die Stimmen für eine weibliche Doppelspitze. Bereits an diesem Mittwoch wollen die stellvertretende Parteichefin Katja Kipping und die nordrhein-westfälische Landesvorsitzende Katharina Schwabedissen gemeinsam ihren Hut in den Ring werfen.
Nach Angaben des Bundestagsabgeordneten Thomas Nord möchten die beiden als Führungsduo kandidieren. Prominente Linke-Politiker haben für den Mittwochmittag um 12 Uhr zu einer Pressekonferenz in Hannover eingeladen, zu der auch Schwabedissen und Kipping erwartet werden. Schwabedissen hat bereits ihr grundsätzliches Interesse an einer Kandidatur signalisiert. Kipping hatte letzte Woche einen neuen Personalvorschlag für den Fall angekündigt, dass es zu keiner einvernehmlichen Lösung zwischen Lafontaine und Bartsch kommen sollte.
Weitere Kandidaten für die neue Doppelspitze sind Bundestags-Fraktionsvize Bartsch und die sächsische Bundestagsabgeordnete Sabine Zimmermann. Die sieht ihre Chancen durch den Rückzug Lafontaines nicht geschmälert. „Ich habe meine Kandidatur nicht von Oskar Lafontaine abhängig gemacht“, sagte Zimmermann der in Chemnitz erscheinenden Freien Presse (Mittwoch). Die neue Parteiführung soll Anfang Juni gewählt werden.
Lafontaine hatte am Dienstag seinen Verzicht auf eine Kandidatur für den Parteivorsitz erklärt, nachdem Bundestags-Fraktionschef Gregor Gysi ihm am Montag seine Unterstützung entzogen hatte. Lafontaine hatte sich nur unter der Bedingung zu einer Kandidatur bereiterklärt, dass kein anderer gegen ihn antritt. Vor allem Ost-Linke, die dem pragmatischen Flügel um Bartsch zuzurechnen sind, bezeichneten dieses Verhalten als undemokratisch.
Prominente Linke fordern Kandidatur von Wagenknecht
Inzwischen wird der Ruf nach einer weiblichen Doppelspitze lauter. „Zwei Männer haben wir ja schon gehabt“, sagte Parteichef Klaus Ernst am Dienstagabend auf einer Regionalkonferenz in Berlin. Es müssten Frauen mit Ausstrahlung auch in die alten Bundesländer sein. Der stellvertretende saarländische Linke-Chef Heinz Bierbaum verlangte im Gespräch mit der Nachrichtenagentur dpa, Lafontaines Lebensgefährtin, die stellvertretende Parteivorsitzende Sahra Wagenknecht, müsse dabei eine zentrale Rolle spielen.
Auch der Thüringer Fraktionschef Ramelow plädierte für einen sogenannten Dritten Weg. „Ich habe Dietmar Bartsch immer den Rücken frei gehalten“, sagte er der Berliner Zeitung (Mittwoch). „Aber wenn es einen besseren gemeinsamen Weg gibt, dann möchte ich darüber nicht öffentlich zu Gericht sitzen. Alle müssen sich gemeinsam an einen Tisch setzen.“ Denkbar sei eine weibliche Doppelspitze, bei der sich die Frage stelle, „ob ein versierter Bundesgeschäftsführer mit dem Profil eines Dietmar Bartsch dabei gewollt ist“.
Frauen sollen nach Ansicht des stellvertretenden Vorsitzenden der Linksfraktion im Bundestag, Ulrich Maurer, die Linke führen. „Jung und weiblich ist die Zukunft der Partei“, sagte der Politiker am Mittwoch im ARD-Morgenmagazin.
Es gebe eine Reihe von weiblichen Parteimitgliedern, die sehr begabt und charismatisch seien. Maurer nannte als Beispiel die Vize-Parteivorsitzende Sahra Wagenknecht. Nach dem Verzicht des ehemaligen Linke-Chefs Oskar Lafontaine auf eine neue Kandidatur sei es nun entscheidend, dass die Grabenkämpfe von Männerbünden beendet werden, sagte Maurer. Maurer hatte sich Lafontaine ausgesprochen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Lohneinbußen für Volkswagen-Manager
Der Witz des VW-Vorstands
Deutungskampf nach Magdeburg
„Es wird versucht, das komplett zu leugnen“
Rechte Gewalt in Görlitz
Mutmaßliche Neonazis greifen linke Aktivist*innen an
Polizeigewalt gegen Geflüchtete
An der Hamburger Hafenkante sitzt die Dienstwaffe locker
Gedenken an den Magdeburger Anschlag
Trauer und Anspannung
Anschlag in Magdeburg
Vorsicht mit psychopathologischen Deutungen