Links-schwarze Zusammenarbeit: Chaos in der Thüringer CDU
Die Landes-CDU debattiert nach Mohrings Volte weiter darüber, wie sie es mit der Linken hält. Die Partei steht vor einer Zerreißprobe.
Wie hältst du’s mit der Linken? An dieser Frage reibt sich nach dem Wahlsieg der Linkspartei in Thüringen die CDU auf. Die schwelende Debatte hat Potenzial, sich zu einem Brand in der Partei auszuweiten, der auch den Vorsitzenden Mike Mohring bedrohen könnte.
Bodo Ramelows Linkspartei hatte die Landtagswahl am Sonntag deutlich gewonnen, kann allerdings mit ihren bisherigen Partnern Grüne und SPD keine Mehrheitsregierung mehr bilden. An dieser Stelle kommt die drittplatzierte CDU ins Spiel.
Am Montagmorgen schien sich aus dem Nebel der Äußerungen von Landeschef Mohring noch schemenhaft eine irgendwie geartete Kooperation mit der Linken herauszuschälen. Von „Verantwortung für das Land“ und Stabilität war die Rede. Nach der Präsidiums- und Landesvorstandssitzung vom Montagabend gilt aber wieder „Eisern Union“.
Keine Tolerierung einer von Bodo Ramelow geführten Minderheitsregierung geschweige denn eine Koalition mit dem Wahlsieger Linke! Vor der Wahl gefasste Beschlüsse gelten weiterhin für AfD und Linke.
Mohring zurückgepfiffen
Mohring musste sich auf der Sitzung wohl einiges an Kritik anhören und wurde zurückgepfiffen. „Für uns war wichtig, dass keine Deutungen vorgenommen werden, die wir nicht wollen“, schildert Generalsekretär Raymond Walk der taz den Diskussionsverlauf. Die Absage an eine Zusammenarbeit mit der Linken und der AfD sei einmütig bekräftigt worden.
Mohring verkündete am gleichen Abend, er könne sich „keine Situation vorstellen, dass die abgewählte rot-rot-grüne Landesregierung durch die Unterstützung der CDU in eine neue Regierungsverantwortung gehoben wird“. Er werde aber „aus staatspolitscher Verantwortung“ der Gesprächseinladung von Ministerpräsident Bodo Ramelow folgen.
Allein: Eine solche Einladung gibt es offiziell nicht. „Weder Bodo Ramelow noch die Partei haben Herrn Mohring zu Gesprächen eingeladen“, stellte die Linken-Vorsitzende Susanne Hennig-Wellsow gegenüber der taz klar.
Derweil diskutiert die CDU munter weiter. Auch Widersacher, die Mohring längst kaltgestellt zu haben glaubte, melden sich zurück. Parteivize Mario Voigt etwa, der über die dpa am Montag erklärte, er sei „höchst irritiert über die in den Medien verbreiteten Gesprächsangebote“, und nach der Wahlnacht von einem „Scherbenhaufen“ sprach.
Die Greizer Landrätin Martina Schweinsburg warnte ihre Partei vor einer Spaltung durch ein Zusammengehen mit der Linken.
Ramelow-Fans in der CDU
Tatsächlich steht die CDU gerade vor einer Zerreißprobe. CDU-Fraktionsvize Michael Heym schielt nach rechts und hat eine Zusammenarbeit mit der AfD ins Gespräch gebracht. Andere wollen sich nach beiden Seiten abgrenzen. So wie Michael Koch und Jan Maihöfer von der Jungen Union am Sonntagabend auf der Wahlparty. „Eine Koalition mit Extremisten von links oder rechts scheidet aus.“
Aber auch die Ramelow-Fans unter den Thüringer CDU-Mitgliedern – die gibt’s – wagen sich aus der Deckung und stellen die gefassten Unvereinbarkeitsbeschlüsse infrage.
Lutz Koscielsky etwa, seit 1990 für die CDU im Stadtrat von Treffurt. „Die CDU sollte konstruktiv diskutieren und eine Regierung mit Ramelow als Ministerpräsident mindestens tolerieren“, sagte Koscielsky der taz. „Wenn wir das hinbekämen, wäre das ein Sieg der Demokratie.“
Ramelow sei klarer Wahlgewinner und als Landesvater weit über die politischen Lager hinaus populär, meint Koscielsky und appelliert an seine Partei: „Wir müssen die Realität zur Kenntnis nehmen.“ Eine Zusammenarbeit mit Ramelow und den Linken von vornherein auszuschließen ist für den Bäckermeister „pure Ideologie“. Es ginge doch um das Land: „Thüringen muss an erster Stelle stehen.“
Neue Entscheidung gewünscht
Koscielsky, Vizepräsident der Südthüringer Handwerkskammer und Landesinnungsmeister der Thüringer Bäcker, weiß dabei andere CDU-nahe UnternehmerInnen hinter sich. Kein Mensch weiß ehrlicherweise, wie es weitergeht“, räumt Generalsekretär Walk die volatile Situation ein. „Möglicherweise werden wir schon Ende dieser Woche neue Beschlüsse fassen, die anders aussehen.“
Möglicherweise keine schlechte Idee. Die Wahlanalyse der CDU-nahen Konrad-Adenauer-Stiftung zitiert eine Umfrage, wonach 68 Prozent der CDU-Anhänger der Ansicht seien, dass über eine Koalition mit der Linkspartei neu entschieden werden solle.
In der Linkspartei lehnt man sich unterdessen gelassen zurück und schaut interessiert auf die streitenden Christdemokraten. „Innerhalb der Thüringer CDU scheint es weder vor noch nach der Wahl irgendeine Form strategischer Positionierung gegeben zu haben“, schreibt Staatskanzleichef Benjamin Hoff in einer Wahlanalyse im Freitag.
Am Mittwochmorgen trifft sich die Linken-Spitze erst einmal mit SPD und Grünen. „Wir entscheiden dann gemeinsam mit unseren Partnern, mit wem wir Gespräche führen“ so Hennig-Wellsow.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nach dem Anschlag in Magdeburg
Rechtsextreme instrumentalisieren Gedenken
Anschlag in Magdeburg
„Eine Schockstarre, die bis jetzt anhält“
Erderwärmung und Donald Trump
Kipppunkt für unseren Klimaschutz
Bundestagswahl am 23. Februar
An der Wählerschaft vorbei
EU-Gipfel zur Ukraine-Frage
Am Horizont droht Trump – und die EU ist leider planlos
Streit um Russland in der AfD
Chrupalla hat Ärger wegen Anti-Nato-Aussagen