Linkes Lateinamerika wehrt sich: Erst das Essen, dann der Export
Linke Regierungen und NGOs wollen sich auf dem EU-Lateinamerika-Gipfel in Lima gegen die Offensive der EU wehren.
PORTO ALEGRE taz Unter dem Stichwort "sozialer Zusammenhalt" soll es auf dem EU-Lateinamerika-Gipfel in Lima um Fragen der Armutsbekämpfung gehen. Doch konkrete Ergebnisse sind kaum zu erwarten. Das eigentliche Interesse der Europäer gilt nämlich Wirtschaftsfragen, genauer: der Öffnung der lateinamerikanischen Volkswirtschaften für Europas Konzerne.
In dem Strategiepapier der EU-Kommission "Ein wettbewerbsfähiges Europa in einer globalen Welt" von 2006 werden Wege dieser Außenhandelspolitik in seltener Offenheit benannt. "Der Schlüssel zur Wettbewerbsfähigkeit sind für Europa heute Wissen, Innovation, geistiges Eigentum, Dienstleistungen, Energie- und Rohstoffeffizienz", heißt es da. Angesichts der stockenden Verhandlungen der Welthandelsorganisation (WTO) müsse über Freihandelsabkommen "die größtmögliche Handelsöffnung" sowie eine "weit reichende Liberalisierung bei Dienstleistungen und Investitionen" angestrebt werden.
In Lateinamerika ist das bislang nur mit Mexiko und Chile gelungen. Der Begriff "Freihandel" ist dort negativ besetzt, deshalb strebt die EU nun "Assoziierungsabkommen" an. Am einfachsten geht das mit kleinen Ländern Zentralamerikas und der Karibik, die der Verhandlungsmacht der Europäer wenig entgegensetzen können. Die Gespräche mit dem Mercosur, dem südamerikanischen Binnenmarkt, liegen hingegen seit Jahren auf Eis, weil Argentinien und Brasilien auf spürbaren Zugeständnissen der EU im Agrarhandel bestehen.
Die Region ist gespalten: Die neoliberalen Regierungen Perus und Kolumbiens, die bereits einen Freihandelsvertrag mit den USA ausgehandelt haben, zeigen sich konzessionsbereit, während Bolivien und Ecuador zentrale Teile des EU-Vorschlags ablehnen. Bei der letzten Gesprächsrunde hatte Ecuadors Präsident Rafael Correa seine Unterhändler angewiesen, sich bei den Themen Handel, Nachhaltigkeit und Dienstleistungen an die Seite Boliviens zu stellen.
"Jeder Dialog zwischen Regionen ist zunächst positiv", sagt Boliviens Chefunterhändler Pablo Solón. "Doch Bolivien muss zuerst garantieren, dass unsere Bevölkerung genug zu essen hat. Erst dann kommen die Exporte."
Solón verkörpert den Wandel der letzten Jahre exemplarisch: War der Handelsexperte 2004 nur an der Paralleltagung von sozialen Bewegungen und NGOs beteiligt, gehört er nun zum Beraterkreis von Präsident Evo Morales. Der wiederum hat bereits als erster linker Präsident seinen Auftritt auf dem Basistreffen "Alternativen verknüpfen" zugesagt. Dort soll der Versuch einer "Wiedereroberung Lateinamerikas durch Europa zwei Jahrhunderte nach dem Beginn der lateinamerikanischen Unabhängigkeitskriege" gegeißelt werden.
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