Linke macht Rückzieher: 1.-Mai-Demo braucht neuen Anmelder
Nach Medienhetze und interner Parteischelte zieht Mitarbeiter von Linken-Bundestagsabgeordneter Ulla Jelpke seine Anmeldung für die "Revolutionäre 1.-Mai-Demo" zurück.
Vier Tage hatte die Anmeldung der "Revolutionären 1.-Mai-Demo" Bestand. Am Donnerstagmittag wurde sie zurückgezogen. Der Druck von Teilen der Medien und Politik auf den Anmelder war zu groß. Der heißt Nikolaus Brauns, ist parteilos und wissenschaftlicher Mitarbeiter von Ulla Jelpke, der innenpolitischen Sprecherin der Linksfraktion im Bundestag. Er habe von Jelpke und der Linken Schaden abwenden wollen, begründete Brauns den Rückzieher. "Mit einer Medienhetze hatte ich gerechnet, aber nicht damit, dass die Anmeldung für Wahlkampfzwecke missbraucht wird."
Es war der Tagesspiegel, der die Geschichte hochgejazzt hatte: "Bundestagsmitarbeiter meldet Krawall-Demo an". Zu den empörten Stimmen, die von der Zeitung zitiert werden, gehören nicht nur Politiker von CDU und SPD. Auch der innenpolitische Sprecher der Grünen, Benedikt Lux, kritisiert darin die Politik der Linken: "Als Regierungspartei sind sie für die Sicherheit der Polizisten verantwortlich, auf der anderen Seiten melden sie Demos an, von der mit hoher Wahrscheinlichkeit Gewalt ausgehen wird." Was Lux am Donnerstag der taz sagte, klang etwas anders: "Ich habe kein Problem damit, dass Brauns die Demo angemeldet hat." Das hört sich nach Rückzieher an. Lux sagt, der Tagesspiegel habe ihn verkürzt wiedergegeben. Die Linkspartei als Regierungspartei habe aber eine besondere Verantwortung dafür, dass es friedlich bleibt.
Aber es war nicht nur der öffentliche Druck, dem sich Brauns gebeugt hat. Auch die Linkspartei hat ihm Dampf gemacht. Offiziell wird das nicht zugegeben: "Manche Menschen brauchen ein wenig Zeit zum Nachdenken", sagte Henrik Thalheim, Sprecher der Linken-Fraktion im Bundestag, der taz. Man sei über die Anmeldung "entsetzt", heißt es aus Berliner Parteikreisen. "Wie kann man nur so blauäugig sein."
Der 1. Mai wirft seine Schatten voraus: Autonome mobilisieren zur "18-Uhr-Demo", die Polizei trommelt Kollegen aus ganz Deutschland zum Großeinsatz zusammen. Alles wie immer. Alles? Aufmerksame Prenzlberger meinten, ein Novum ausgemacht zu machen: Auch die Bundeswehr mobilisiere diesmal mit. Im Mauerpark seien letzten Freitag Bundeswehr-Obere beim Spaziergang mit Polizeiführern gesichtet worden, vermutlich im Plausch über Einsatzkonzepte zur Walpurgisnacht, schrieben sie der taz. Ein Bundeswehreinsatz im Inneren ist aber bekanntlich nur auf zwei Wegen möglich: als Katastrophenschutz oder als Amtshilfe für eine sonst überforderte Polizei. Beides durchaus denkbar am 1. Mai. Die Polizei aber widerspricht: Bundeswehrhilfe werde es rund um den Tag der Arbeit nicht geben. Das Treffen jedoch gab es: als Teil eines "Informationsbesuch von Teilnehmern einer politisch-historischen Fortbildungsveranstaltung des Personalamtes der Bundeswehr". Welche "politisch-historische" Rolle dabei der Mauerpark hat, ließ der Polizeisprecher freilich offen. (ko)
Anmelder Brauns sagt, er sei anfangs sogar ein bisschen stolz gewesen, dass er die große Demonstration der radikalen Linken unterstützen konnte. Er habe sich als Anmelder zur Verfügung gestellt, weil er die antikapitalistischen Inhalte für legitim halte. Ihm sei an einer Repolitisierung der Veranstaltung gelegen. "Es gibt keinen Grund, Randale in Neukölln zu machen, ausgehend davon, dass die Anwohner mit den Inhalten sympathisieren." Am besten für einen friedlichen Verlauf wäre, "wenn die Polizei nicht auftaucht", meint Brauns.
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