Linke-Ökonom verteidigt Programm: "Das ist kein Voodoo"
Das Programm der Linken sei zu radikal und unglaubwürdig, wetterte jüngst der Berliner Linke Carl Wechselberg. Der Linken-Ökonom Michael Schlecht hält dagegen.
Der 57-jährige Ver.di-Chefökonom sitzt seit 2007 im Parteivorstand der Linkspartei. Bis 2005 war in der SPD. Er ist Bundestagswahl-Kandidat in Baden-Württemberg.
taz: Herr Schlecht, 300 Milliarden Euro im Jahr kosten die Forderungen der Linkspartei. Das ist schlicht unglaubwürdig, finden Linken-Realpolitiker. Sie nicht?
Michael Schlecht: Nein, das ist Unfug. Das finden auch nicht unsere Realpolitiker, sondern nur ein einziger - Carl Wechselberg aus Berlin. Die wichtigste Forderung unseres Programms lautet 100 Milliarden Euro im Jahr, die wir als staatliche Investition in Bildung, Gesundheit und ökologischen Umbau vorgesehen haben. Damit wollen wir zwei Millionen Arbeitsplätze schaffen. Dank der Refinanzierungseffekte - etwa der Einsparungen beim Arbeitslosengeld - reduzieren sich die 100 Milliarden auf 50 Milliarden Euro.
Das klingt wie die Umkehrung der Rezepte, wonach dank Steuersenkungen stets die Wirtschaft anspringe. Sie verteilen mehr Steuergeld, und dann gehts wieder aufwärts. Ist da nicht viel Voodoo dabei?
Das ist kein Voodoo, sondern ganz einfach Ökonomie. Die Steuern, die Sozialabgaben, die von zwei Millionen tariflich entlohnten Arbeitnehmern bezahlt werden, füllen die öffentlichen Kassen wieder auf. Wenn all die Leute Geld ausgeben, hilft dies dem Binnenmarkt auf die Beine.
Nach der Logik müssten Sie einfach alle Arbeitslosen im öffentlichen Dienst anstellen.
Wir verlangen lediglich, dass die eine Million Jobs, die im öffentlichen Dienst in den vergangenen Jahren vernichtet wurden, wieder aufgebaut werden. Im Übrigen wollen wir eine weitere Million Jobs durch Auftragsvergabe des Staates schaffen.
Zu einer anderen Zahl im Linken-Programm: Auch die Gewerkschaften halten bislang 7,50 Euro Mindestlohn für wirtschaftlich realistisch - jetzt wollen Sie 10 Euro.
Die Gewerkschaften haben vor einigen Jahren die 7,50 Euro eingeführt. Das ist jetzt eine Art Label geworden, das man so schnell nicht ändert. In Frankreich unter Nicolas Sarkozy gelten derzeit 8,71 Euro Mindestlohn, und der wird demnächst erhöht. Insofern halten wir 10 Euro für gerechtfertigt.
Fürchten Sie keinen Überbietungswettbewerb, nach dem immer der mehr Recht hat, der mehr Geld fordert?
Wenn Sie auf die Grünen anspielen - die haben zum Teil ähnliche Konzepte wie wir, nur immer 50 Prozent davon. Was denen fehlt, ist eine saubere Finanzierung. Wir dagegen fordern eine fünfprozentige Millionärssteuer, die auch an die Substanz der Vermögen geht und nicht bloß aus laufenden Einkünften bezahlt werden kann.
Kann oder sollte es ein rot-rot-grünes Reformbündnis zur Bewältigung der Wirtschaftskrise geben?
Das ist aktuell nicht möglich. Nicht nur bei Krieg und Frieden trennt uns zu viel von der SPD. Auch bei Rente und Hartz IV liegen die Unterschiede im Grundsatz und nicht im Detail.
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