Linke-Konvertitin: "Den Männern auch Paroli bieten"
Vor dem Parteitag der Saar-Linken rechtfertigt die Ex-Grüne Barbara Spaniol ihren Übertritt. Als Gegengewicht zu Oskar Lafontaine sieht sie "genügend starke Frauen".
taz: Frau Spaniol, dieses Wochenende nehmen Sie als konvertierte Ex-Grüne im Saarland erstmals an einem Parteitag der "Linken" teil. Warum haben Sie es bei Bündnis 90/Die Grünen nicht mehr ausgehalten?
Barbara Spaniol: Ich war schon lange hin- und hergerissen, vor allem wegen Hartz IV. Ich konnte keine Positionen mehr für die Grünen vertreten, gerade zum Thema Kinderarmut, ohne an die Grenzen der Argumenation zu stossen: nämlich, dass ausgerechnet die Grünen Hartz IV mitgetragen haben.
Hartz IV ist lange her. Warum erst jetzt der Wechsel?
Weil die Grünen nach all den negativen Auswirkungen von Hartz IV zu keiner Kurskorrektur bereit sind und noch dazu der Rente mit 67 zugestimmt haben. Außerdem wollte ich keiner Partei mehr angehören, die Kampfeinsätze der Bundeswehr in Afghanistan befürwortet. Die bewaffnete Mission dort ist längst gescheitert, die Soldaten müssen zurückgeholt werden.
Damit die Taliban die Frauen in Afghanistan bald wieder wie Tiere behandeln können?
Das darf natürlich niemand zulassen. Ich bin weiter für echte Aufbauhilfe vor Ort. Aber der Einsatz von ausländischem Militär und Polizei macht keinen Sinn mehr. Das war vielleicht gut angedacht, ist aber gescheitet. Im Übrigen glaubt man doch wohl nicht im Ernst, dass die Stellung der Frau in Afghanistan durch Militär und Polizei verbessert werden kann.
Landespolitisch waren Sie mit den Grünen zufrieden?
Keineswegs. Als der Landesvorsitzende vor kurzem verkündete, die Grünen seien für eine Ampelkoalition mit SPD und FDP zu haben, stand mein Entschluss zum Wechsel fest. Ich war stellvertretende Landesvorsitzende, trotzdem wurde das mit mir nicht diskutiert. Das war ein inakzeptabler Alleingang.
Deshalb wechseln Sie jetzt von einer autoritär geführten Landespartei zu einer anderen autoritär geführten Partei?
Natürlich ist Die Linke stark geprägt von Oskar Lafontaine. Entscheidend ist aber die Idee, aus der heraus sich diese Partei entwickelt hat. Es geht um die Inhalte - um soziale Gerechtigkeit, um Friedenspolitik. Und in der Partie Die Linke gibt es genügend starke Frauen, die den Männern auch Paroli bieten können.
Starke Frauen wie Christa Müller, die bei Krippenplätzen vom "Zwang der Fremdbetreuung" spricht?
Tatsache ist, dass es eine Kampagne der Partei für kostenlose Kindergartenplätze geben wird, was ich sehr befürworte. Die Aufregung über die Äußerung von Christa Müller kann ich nicht ganz nachvollziehen. Die Linke an der Saar ist dafür, dass Eltern sich frei entscheiden können, ob sie ihr Kind in eine Krippe geben oder daheim betreuen. Für diese freie Entscheidung müssen die Voraussetzungen geschaffen werden. Nur darum geht es. Da habe ich mit Frau Müller überhaupt kein Problem.
Sie befürworten Rot-Rot-Grün an der Saar. Aber mit den Grünen haben Sie gerade gebrochen, und die SPD ziert sich noch, über ein Bündnis mit der Linken nachzudenken. Wie soll ein solches Bündnis überhaupt zustandekommen?
Wenn die SPD die Chance hat, mit uns zusammen den CDU-Ministerpräsidenten Peter Müller abzulösen, dann wird sie sich diese Chance auch von Kurt Beck nicht nehmen lassen. Eine klare Absage an eine Koalition gibt es von SPD-Landeschef Heiko Maas bislang nicht. Und die Grünen werden ihren Ärger über meinen Wechsel schnell überwinden. Landespolitisch gibt es viele Übereinstimmungen. Man wird das bald im Landtag sehen, wenn SPD, Grüne und Die Linke gemeinsam über Anträge abstimmen - gegen die absolute CDU-Mehrheit. Da wächst etwas heran.
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