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Linke FreiräumeKörting droht mit Staatsgewalt

Nach der Randale bei den Freiraum-Aktionstagen will der Innensenator der Kampagne womöglich keine Demos mehr erlauben. Die Veranstalter machen die Polizei für Eskalation verantwortlich.

Symbol der Staatsgewalt. Polizei und Freiraumdemonstranten mögen sich nicht Bild: ap

Die Demonstration für mehr linke Freiräume könnte die Letzte gewesen sein. Im Innenausschuss des Abgeordnetenhauses drohte Innensenator Ehrhart Körting (SPD) am Montag mit einem Demonstrationsverbot für die Freiraum-Kampagne, die seit 2008 stattfindet. Die Veranstaltung endete am Samstag in Krawallen, nachdem mehrere tausend Teilnehmer friedlich für den Erhalt linker Wohn- und Kulturprojekte durch Neukölln, Kreuzberg und Friedrichshain gezogen waren. Die Veranstalter hätten die Gewalt rechtfertigt, so Körting. "Das kann Folgen für spätere Anmeldungen haben."

Eine Sprecherin des Freiraum-Bündnisses hält ein Verbot für "mehr als überzogen". Die Polizei sei für die Eskalation verantwortlich. Auslöser sei das gewaltsame Eindringen der Polizei in ein Wohnhaus in der Simon-Dach-Straße gewesen, auf dessen Dach Aktivisten ein Transparent entrollt hatten. "Bis dahin war alles friedlich", so die Sprecherin. Die anschließende Gewalt sei auch ein "Ausdruck der Wut über die Situation der Wohnprojekte und Zwangsumzüge" gewesen. "Dafür haben wir Verständnis."

Polizeipräsident Dieter Glietsch wertete dies im Innenausschuss als "den üblichen Versuch" der Polizei die Schuld in die Schuhe zu schieben. Die Beamten seien erst eingeschritten, nachdem sie "zuvor ohne Anlass" mit Steinen und Flaschen beworfen worden seien. Glietschs Bilanz der zweitägigen Freiraum-Kampagne: Eine Verkehrsstreife der Polizei umgeworfen und demoliert. Ein Angriff auf eine McDonalds-Filiale. Brandanschläge auf vier Autos, vier Lokale mit Buttersäure betriebsunfähig gemacht. Glietsch bestätigt den Eingang eines Bekennerschreibens, das auch ist im Internet veröffentlicht ist. Die Attacken werden darin als "Aktion gegen Gentrifizierung und der damit einhergehenden Vertreibung aus unseren Wohnungen, Häusern und Wagenplätzen" bezeichnet. Weitere Aktionen werden nicht ausgeschlossen: "Ob es dann die nächste Cocktaillounge trifft, oder die Nobelkarosse davor brennt - wir werden es sehen."

Das Bündnis seinerseits erhebt schwere Vorwürfe gegen die Polizei. Beamte seien für "massive Kopfverletzungen" eines 32-Jährigen verantwortlich. Der Mann sei von Polizisten im Vorbeigehen umgestoßen und verletzt liegen gelassen worden. Die Polizei bestätigte, dass die Kripo in der Sache ermittelt. Die Ursache der Kopfverletzung sei noch unbekannt. Als "Dreistigkeit" bezeichnet das Bündnis diese Darstellung. "Hier zeigt sich wieder die Notwendigkeit einer Kennzeichnungspflicht von Polizisten", so die Sprecherin.

Wegen Verdachts des schweren Landfriedensbruchs ist gegen drei Personen im Alter von 20, 21 und 33 Haftbefehl erlassen worden. Der Vorsitzende des Innenaussschusses, Peter Trapp (CDU) sprach nach der Sitzung von einer neuen Qualität der Gewalt. Dass ein zur Regelung des Verkehrs abgestelltes Polizeiauto angegriffen worden sei, habe er nicht mal in der Hausbesetzerzeit in den 80 Jahren erlebt. Anders der innenpolitische Sprecher der Grünen, Benedikt Lux. Bei den Freiraumtagen im Vorjahr mehr Gewalttaten gegeben.

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8 Kommentare

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  • H
    hansDurst

    ja, das ist die deutsche staatsgewalt:

    mit den nazies kuscheln und

    dreckige hausbesetzter wegen gefaehrlichen

    transparenten den schaedel einschlagen!

     

    und in den medien dann immer von

    ploetzlichen und unmotivierten angriffen der chaoten

    reden...

    daran hat sich ,und wird sich wohl nie etwas aendern.

     

     

    btw: buttersaeure in 'yupppi' laden auskippen ist

    sowas von bescheuert!!!

  • DR
    Dan Richter

    Ihre Foto-Unterschrift in der Druckausgabe lautet: "Da nimmt der Polizist doch lieber die Beine in die Hand. Kurze Zeit später haben die Demonstraten sein Auto umgekippt."

    Die Redaktion findet es wohl witzig, wenn eine Gruppe von Demo-Faschisten auf einen Verkehrspolizisten losgeht und dieser "die Beine in die Hand nehmen" muss.

  • KG
    kommenratsetzung gefordert, verlinkung erst im anschluß

    ähm euch ist schon klar, daß eine - nicht ungelesene - mediumseite erst zu diesem beitrag verlinken wird, wenn die beiden kommentare von heute online sind, oder.

  • W
    wikinews030red

    zur frage "transparent oder flugblätter"? - was genau davon beeinflußte die entscheidung und wie relevant könnte das in einer interviewfrage sein, siehe das kommentar auf

    http://30jahre.taz.de/2009/01/post-von-mckinsey/comment-page-1/#comment-171

    sobald dieses kommentar freigeschaltet.

  • N
    nebenredaktion

    darf man hier kommentieren?

    darf man hier auch mit nem link kommentieren?

    [war ja vorübergehend nciht so klar mit den formularfunktionen iehe http://wikinews030.wordpress.com/2009/03/05/formulardisfunktionen-und-verschwindende-anzeigen/#comments'>http://wikinews030.wordpress.com/2009/03/05/formulardisfunktionen-und-verschwindende-anzeigen/#comments ]

     

    also wenn jetzt und hier ok, dann würde ich hiermit offiziell kommentieren wie folgt.

    erstens: "UFF!"

    zweitens "HAT ABER GENAUERT."

    [also z.b "uff" wegen http://30jahre.taz.de/2009/01/post-von-mckinsey/comment-page-1/#comment-168]

     

    drittens: "es ist aber, wißt ihr, trotzdem nicht verboten, zukünfitg von taz-redaktioneller seite aus z.b. bei

    http://wikinews030.wordpress.com/2009/03/14/demonstration-fur-freiraume-und-gegen-verdrangung-in-berlin/

    direkt anzufragen, ob wir nicht DEN artikel oder einen für die print-taz speziell einen noch ein bißchen längeren (teureren) und noch detaillierter ausformulierten anliefern können. wir haben nichts gegen textübernahmen, dafür müßte halt nur die taz-red selbst auch beginnen, nach dem, was sie für ihr blatt braucht, aktiv zu suchen.

     

    ich meine, es ist ja schön und gut,

    daß man hier seit jahren auch im taz-nahen medialen nachbarschaftlichen bezirk onlie, life und geprinted so schön über "veränderungen im mediensektor durch das hinzukommen des internet als metamedium" debattiert, schön wäre es, wenn man das in diesen debatten sich herauskristallisierende auch mal langam in konkretes (aktivität der redaktion, aktive suche nach inhalten, die nicht anfragen sondern sich anfragen lassen aus gutem grund -> hin zu geprintetem und pe nun zen, den leider notwendigen pe nun zen, notwendig für die gründliche medienarbeit) umwandeln würde.

     

    http://wikinews030.wordpress.com/

  • JH
    Jörg Humrich

    Ich war da, als die Situation an der Ecke Simon-Dach eskalierte. Tatsächlich ist es so wie die Demonstrationsveranstalter es gesagt haben. Als drei Personen ein Transparent mit der Aufschrift "Yes We Can - Kapitalismus abschaffen!" von einem Dach gerollt haben, wurden sie von der Masse bejubelt. Hier lag noch keinerlei Spur von Gewalt in der Luft. Kurz darauf rannte ein Trupp von ca. 15 gepanzerten Beamten, ohne vorherige Ankündigung oder Drohung, in den Hauseingang um das Dach zu stürmen. Dieser Akt erschien auch mir als Außenstehender durchaus übertrieben (3 unbewaffnete Demonstranten gegen 15 schwer bewaffnete Polizisten?). Ein paar wenige andere, eben noch friedliche und jubelnde Demonstranten sahen dies wohl ähnlich und fingen an, wohl aus Wut über diesen Auftritt der Polizei deren Mannschaftwagen zu schubsen, wobei auch leichte Demolierungen am Wagen zustande kamen. Der daraufhin stattfindende Aufmarsch der Polizei erzeugte dann auch bei mir eine Angst wie ich sie selten hatte. Von beiden Seiten stürmten Beamte mit erhobenen Knüppel auf uns zu - Panik brach aus, und ich und mein Hund rannten um nicht zwischen die Fronten zu geraten. So muss ich sagen, wäre diese Brutalität der Beamten ausgeblieben, denke ich dass die Demonstration auch einen friedlichen Verlauf genommen hätte.

  • D
    digitaldonkey

    Schade, dass es ohne Randale am Rande ueberhaupt keine Medienberichterstattung gibt. Und dann wird nicht ueber Inhalte berichtet, sondern eben nur ueber diverse Scharnuetzel und was die politiker darueber zy sagen wissen.

  • B
    berliner

    das ist doch totaler blödsinn, dass körting nun mit dem verbot zukünftiger demos droht. eine solche einschränkung des grundrechts auf versammlungen wird er niemals durchsetzen können, indem er einfach nur darauf verweist, dass es bei vergangenen demonstrationen gewalt gegeben hat. und das weiß er auch.