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Lifestyle mit GemüseWie werden Veganer zum Vorbild?

Sie predigen nicht Verzicht, sondern Genuss: Die neuen Veganer werben für die Lust am fleischfreien Essen. Fehlt da die ethische Dimension?

Was darf auf den Teller? Peta demonstriert Bild: dpa

Als das ZDF den Veganer verschiebt, bricht erst einmal ein Shitstorm aus. Eigentlich hätte der vegane Fitness-Prediger Attila Hildmann schon im April um 20.15 Uhr im Zweiten Deutschen Fernsehen auftreten sollen. „Vegetarier gegen Fleischesser -­ das Duell“ war der Titel der Kochsendung. Allerdings war einige Tage zuvor die Boeing mit der Flugnummer MH370 über dem Indischen Ozean verschwunden. Nun betrachtete es der Sender „als journalistisch geboten, diesen Ereignissen auf einem prominenten Dokumentationsplatz nachzugehen“. Gewaltige Aufregung: Hunderte Facebook-Kommentare auf der ZDF-Seite und dem Profil des veganen Kochs Hildmann.

Passten der Fleischlobby die Ergebnisse der Sendung nicht – dass man nämlich als Veganer oder Vegetarier sogar leistungsfähiger als eine Fleischesserin sein kann? Hatten die Fleischlobbyisten die Verschiebung bewirkt?, spekulierten Kommentatoren. Und würde die Sendung überhaupt irgendwann gezeigt? „Vegan bis aufs Blut: Shitstorm wegen ZDF-Programmänderung“, titelte Focus Online. Wenn es im Netz um Veganer oder Vegetarier geht, wird die Diskussion schnell hitzig.

Im Juni lief dann die Sendung. „Es ist eine Sucht, Fleisch zu essen“, sagt eine junge Frau in die Kamera. Sie heißt Anna, liebt Fleisch, ist aber trotzdem bereit, vier Wochen lang die vegetarischen Gerichte von Attila Hildmann zu essen und die tägliche Ration an Bewegung einzuhalten. Attila Hildmann, Herausgeber des Bestsellers „Vegan for Fit“, tritt mit seinem Team gegen Sternekoch und Fleischliebhaber Alfons Schuhbeck an. Vier Wochen, vier Vegetarier und vier Fleischesser. Und die eine Frage: Welche Gruppe ist am Ende gesünder und leistungsfähiger?

„Körperliche Leistung braucht kein Fleisch“, resümiert ein Arzt. Und auch ein Trainer stellt fest: „Der Leistungszuwachs unter den Vegetariern war deutlich höher“.

taz.am wochenende

Essen mehr Menschen weniger Tiere, wenn Veganer statt Bildern von gequälten Masthähnchen die von saftigen Seitan-Schnitzeln posten? Zu Besuch bei drei Genuss-Missionaren in der taz.am wochenende vom 26./27. Juli 2014. Außerdem: Wie die ersten beiden Weltkriegstoten nach hundert Jahren immer noch keine Ruhe finden. Und: „Ein flaues Gefühl in der Magengegend begleitete mich jeden Tag.“ Die Filmemacherin Elfe Brandenburger über ihre Jugend an der Odenwaldschule Am Kiosk, eKiosk oder gleich im praktischen Wochenendabo.

Schönheit und Glück

Attila Hildmann hat wieder einmal gewonnen. Im Grunde ist das Rezept des türkischstämmigen Bodybuilders aus Berlin einfach: Vegan essen, regelmäßig bewegen. Und so abnehmen. Er hat es ja selbst vorgemacht: Vom pummeligen Teenager hat er sich zum TV-Star und Bestseller-Autor trainiert. Sein Versprechen ist groß: Schönheit und Glück. Die Leute kaufen es gern.

In der Titelgeschichte der taz.am wochenende vom 26./27. Juli erzählt taz-Autorin Marlene Halser, wie Hildmann und zwei andere Geschäftsleute den Veganismus zum Massenphänomen machen. Sie trifft Kochbuchautorin Nicole Just beim Backen pinker Kuchen und den Gründer der veganen Supermarktkette Veganz, Jan Bredack, zwischen diversen Telefonaten im Büro.

Sie haben, bilanziert Halser, den Konsum ohne jegliche tierische Produkte zum Trend gemacht, zu einem Lebensstil, der verspricht, Genuss und Gesundheit zu verbinden.

"Den Tieren ist es scheißegal, warum man sie nicht isst", sagt Hildmann.

Manche Veganer sehen das kritisch. Sie haben jahrzehntelang mit einem ganz anderen Ansatz versucht, die tierfreie Ernährung voranzubringen. Immer wieder haben sie öffentlich die grausame Tierhaltung der Mastställe angeprangert, die qualvolle Haltung von Masthühnchen, von Legehennen oder Schweinen. Damit erreichten sie deutlich weniger als die neuen Lifestyle-Veganer, die jetzt wie öffentliche Vorbilder wirken. Besonders Attila Hildmann werfen einige der ethisch orientierten Veganer vor, gar nicht aus Überzeugung vegan zu leben – und deshalb auch nicht konsequent bis in die tierlederfreie Schuhsohle. Hildmann wolle nur Geld machen, das zeige doch auch sein Porsche.

Hildmann pampt in solchen Fällen gern zurück. "Den Tieren ist es scheißegal, warum man sie nicht isst", sagt er dann etwa.

Wie streng müssen Veganer sein? Bringt es vielleicht sogar mehr, dass die neuen Veganer nicht ganz so konsequent sind wie die vorherigen Generationen? Weil sie damit weniger Menschen ausschließen und auch Teilzeit-Vegetarier öfter vegan einkaufen. Manchmal kann es einem wie eine Glaubensfrage vorkommen, ein Streit um die richtigste richtige Haltung. Auch unter Veganern wird darüber diskutiert, ob es okay sein kann, konventionellen und nicht Bio-Tofu zu kaufen.

Pamela Anderson und Natalie Portmann

Veganer, die ethisch argumentieren, fürchten, dass vor lauter Schönheit und Gesundheit die wichtigen Gründe für den Fleischverzicht in den Hintergrund treten: die desaströsen Zustände in Ställen, weggeschmissene Küken. Und auch die verheerenden Folgen der Fleischindustrie für das Klima, die Vorzeige-Veganer wie der ehemalige US-Vizepräsident Al Gore betonen.

Neben Gore gibt es mittlerweile etliche andere prominente Fürsprecher des veganen Lifestyles. Schauspielerinnen wie Pamela Anderson oder Natalie Portmann. Musiker wie Moby oder Thom Yorke. Die Tierrechtsaktivisten von Peta küren jedes Jahr die sexiesten vegetarischen Promishttp://www.peta.org/features/petas-sexiest-vegetarian-celebrities-2014/.

Wer sind die besseren veganen Vorbilder? Aktivisten, die nachts in Ställe schleichen, um die Grausamkeiten dort zu dokumentieren? Oder öffentliche Figuren wie der Bestseller-Autor Hildmann, die Köchin Just, die vom veganen Genuss schwärmen?

In sozialen Netzwerken wie Twitter oder Facebook mischen sich beide Ansätze. Zwischen Rezepten für veganen Vanillekuchen oder Rote-Bete-Kreationen finden sich Videos aus Legebatterien.

Wie halten Sie es mit dem Gemüse?

Diskutieren Sie mit!

Die Titelgeschichte „Die Gemüse-Yuppies“ lesen Sie in der taz.am wochenende vom 26./27. Juli 2014.

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