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Liebling der MassenUli Hannemann Ein Mensch von großer innerer Schönheit

Ich wäre ja lieber zu Uniqlo gegangen. Da ist es billiger. Außerdem mag ich den Namen, der mich an meine fruchtlosen, aber dennoch schönen Jahre im Tempel der Gelehrsamkeit erinnert. An die Toiletten in der sogenannten Silberlaube der Freien Universität. An den Wänden dort die lebensklugen Sprüche gewitzter junger Menschen, der geistigen Elite Westberlins, neben geschmackvoll stilisierten Pimmelzeichnungen.

Stattdessen stehen wir jetzt in einer Friedrichshainer Boutique. Ich soll wohl eine neue Hose oder so bekommen. „Sag der Verkäuferin, was du möchtest“, ermuntert mich meine Frau.

„Keine Ahnung“, sage ich. „Du wolltest doch hierher. Sag ihr einfach, was du willst, das ich anziehen soll.“

„Das ist ja niedlich“, quietscht die Verkäuferin. Sie meint uns. Vielleicht, weil wir sie an ihre Großeltern erinnern: Zwei gräuliche Freaks, mental, körperlich und organisatorisch derart ineinander verkeilt, das eins allein nicht existieren könnte. Kann schon sein, kein Problem. Ich hab nichts gegen alte Ehepaare. Einige meiner besten Freunde sind alte Ehepaare. Schon seit ihrer Geburt.

In einer Kabine probiere ich mehrere Edeljeans mit posttestosteronischer Bundweite an. Passt. Als ich damit vor die Damen trete, soll ich sagen, ob ich die Hose schön finde. Das überfordert mich, nicht zuletzt, weil es mir völlig schnurz ist. Auch ist die manuskriptfreie Rede nicht wirklich mein Ding. Irgendwas muss man halt anziehen. Schließlich wird es kalt draußen.

„Weiß ich doch nicht“, sage ich. „Sag du mal besser, mir ist das echt egal. Ich muss das ja zum Glück nicht sehen, wenn ich’s anhabe.“

Die beiden schauen mich mit großen Augen an. Aber ist doch wahr: Ich sehe die Hose nun mal nicht, solange ich nicht den Fehler mache, in irgendeinen Spiegel zu gucken, und dergleichen Fauxpas ist mir jetzt bestimmt schon acht Jahre lang nicht mehr unterlaufen. Im Grunde ist das so, wie wenn man in einem scheißhässlichen Haus eine richtig schöne Wohnung hat. Wenn man da aus dem Fenster guckt, muss man das Haus ja ebenfalls nicht sehen. Am besten schleicht man da auch immer nur spätabends, wenn es dunkel ist, und möglichst besoffen rein, dann wird man gar nicht mehr damit konfrontiert, wie übel das Haus von außen aussieht. Und – schwupps – schon ist man wieder in seiner geilen Butze drinne.

Genau so bin ich, ein Mensch von großer innerer Schönheit. Denke ich zumindest. Mein Geist ist mein Wohnzimmer, meine Seele die Girlande mit den leuchtenden Plastikdelfinen im Bad, mein Körper das Haus mit dem Mund als Eingangstür und dem Arschloch als Schornstein, und meine Kleidung ist die wärmegedämmte Fassade. Allerdings deute ich die großen Augen meiner Frau nun doch dahingehend, dass ich den Bogen gerade überspanne.

Ich muss mich zusammenreißen, sonst bekomme ich später keine Bärchenwurst. „Vielleicht probiere ich doch mal lieber diese Hose da“, sage ich, ohne hinzuschauen, und fake mittels minimaler Stimmmodulation Engagement, Eigeninitiative und Geschmack. Ich bin nicht nur ein toller Typ, sondern auch ein hervorragender Schauspieler. Und ein genialer Autor, eh klar, ihr Wichser.

So. Drei Sekunden. Die neue Hose sitzt perfekt. Wie eine zweite Haut. Wir können gehen. Doch die beiden gucken komisch. Ich kann mir fast schon denken, warum. Ich lasse jetzt nämlich schon lange grundsätzlich den Hosenstall offen. Das ist einfach praktischer, weil inzwischen muss ich eh so oft aufs Klo; da lohnt sich das umständliche Auf- und Zuziehen des Reißverschlusses längst nicht mehr, da geht der ja so schnell kaputt.

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